piwik no script img

Baugewerbe gegen City-Kaufleute

■ Nach Anzeigenkampagne der Kaufleute wurden Bauarbeiter angepöbelt / Die Kaufleute „zurechtrücken“

Säuernis in der Bauindustrie: Seit die City-Kaufleute ihre Anzeigenkampagne gegen die „Staus in der Innenstadt“ gestartet haben, geht es den Bauarbeitern schlecht, und ihren Arbeitgebern obendrein. Nicht nur die Bausenatorin fühlt sich angegriffen, die Anzeigen hatten offensichtlich den Effekt, daß auch die Baufirmen für die Staus in der Innenstadt verantwortlich gemacht werden. Am Schlimmsten trifft es wohl die Bauarbeiter vor Ort, die seit Beginn der Kampagne zunehmend angepöbelt werden. Nun will sich das Baugewerbe und die Gewerkschaft Bau, Steine, Erden zur Wehr setzen. Sie haben ihrerseits eine Anzeigenkampagne gestartet. „Wir müssen da einiges zurechtrücken“, sagte gestern Wolfgang Bayer, Geschäftsführer des Bauindustrieverbandes Bremen- Nordniedersachsen.

„Die Arbeiter auf den Baustellen werden massiv angemacht“, erzählt Wolfgang Jägers, Landessekretär der IG Bau. „Autofahrer kurbeln die Scheibe runter und pöbeln, sie sollen schneller arbeiten oder mal ne Nachtschicht einlegen.“ Man könne sich über die Staus sicher streiten, meint Jägers, „aber der Mann vor Ort kann am wenigsten dazu.“ Deshalb sei die Gewerkschaft sofort bereit gewesen, gemeinsam mit den Arbeitgebern in die Öffentlichkeit zu gehen.

„Die Baustellen müssen sein“, meint Wolfgang Bayer. Die Kanalsanierung könne nicht weiter verschoben werden. „Bremen kann aber auch warten wie Bonn. Da ist hinter einer Straßenbahn der Kanal eingestürzt. Plötzlich war da ein Loch von vier mal fünf Metern.“ Außerdem wundern sich sowohl die Bau-Arbeitgeber, als auch die Gewerkschaften über die Klagen der Kaufleute, weil Einzelhändler und Handelskammer gemeinsam mit ihnen an der Baustellenplanung beteiligt gewesen seien. Im Februar hatte die Bausenatorin die komplette Baustellenplanung vorgestellt. Bayer: „Und die Einzelhändler waren einverstanden.“ Bausenatorin und Baufirmen hatten sich sogar auf die dringenden Bitten der Händler eingelassen, die Arbeiten während des Weihnachtsgeschäfts ruhen zu lassen.

Die Leute vom Bau sind besonders sauer auf die Beschleunigungsforderungen der Kaufleute. „Unsachlich“, findet Bayer. Die Kaufleute hätten ein Bild vom Bau, „als müßten da ständig hundert Mann mit der Schippe stehen.“ Auf den Baustellen würden weniger Leute benötigt, und viele Arbeiten seien auf den ersten Blick nicht zu erkennen. „Daß da nicht gearbeitet wird, das kann man wirklich nicht sagen.“ Der Arbeitsbeginn liege naturgemäß weit vor den den Ladenöffnungszeiten.

Die Statistik für den Straßenbau in Bremen weist für das letzte Jahr einen Rückgang der geleisteten Stunden von über 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf. Jürgens: „Schon jetzt schreibt der Bausenator den Firmen die 10-12-Stunden-Woche vor, sonst kriegen sie den Auftrag nicht. Als gebe es kein Betriebsverfassungsgesetz, nach dem der Betriebsrat beteiligt werden muß. Wir erhoffen uns von unserer Aktion, daß man auch an die Menschen denkt, die bei uns beschäftigt sind.“

Noch haben die Kaufleute nicht auf die Anzeige der Bauleute reagiert. Die Einzelhändler sind ohnehin viel moderater im Ton geworden. „Da greift der Dodenhof-Effekt“, meint Wolfgang Bayer. Viele Käufer aus dem Umland seien abgeschreckt worden mit der Aussage, daß die Innenstadt nicht mehr erreichbar sei. Und der Gewerkschaftssekretär Wolfgang Jägers ergänzt: „Vielleicht kaufen die 10.000 Beschäftigten des Bauhauptgewerbes ja auch bei Karstadt.“ Jochen Grabler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen