: Ost-Investitionshilfe abgezockt
Treuhand-Privatisierung: In drei Fällen haben sich angebliche Investoren als Betrüger entpuppt / SPD fordert Untersuchungsausschuß ■ Aus Berlin Annette Jensen
Bei den indischen Brüdern Sanjay und Anurag Dalmia stand am Mittwoch abend die Polizei auf der Matte. Sie sollen die Investitionshilfe für Treuhandbetriebe, die sie übernommen hatten – immerhin neun Millionen Mark – auf ein Konto in Kuala Lumpur überwiesen haben. Die Bank of Commerce will das Geld nicht wieder herausrücken, weil sie es für die Gläubiger der inzwischen in Malaysia pleite gegangenen Firma der beiden Brüder verwenden will. In den Verträgen mit der Breuel-Behörde waren außerdem Investitionen von 100 Millionen Mark für die Sächsische Kunstseiden AG und die Thüringische Faser AG festgeschrieben worden. Davon aber ist so gut wie nichts angekommen.
In der sächsischen Firma prüft der Konkursrichter bereits die verbliebenen Werte, und auch die thüringische ist pleite. Fast 2.000 Beschäftigte müssen in den nächsten Tagen stempeln gehen. Hinrich Kuessner, Bundestagsabgeordneter der SPD aus Greifswald, glaubt allerdings nicht, daß die Treuhand an dem Desaster völlig unschuldig ist. Denn der Behördenmitarbeiter, der den Übernahmevertrag ausgehandelt hatte, wechselte kurz nach der Unterzeichnung in die Chefetage der Thüringischen Faser AG. Der Fall ist übrigens nur einer von dreien, die in den letzten Tagen bekanntgeworden sind. Und nicht nur die SPD-Abgeordneten, die jetzt einen Treuhand- Untersuchungsausschuß des Bundestages fordern, rechnen damit, daß es unter den Investoren eine Menge schwarzer Schafe gibt.
„Die Treuhand hat sogar bei konkreten Vermutungen und Unregelmäßigkeiten abgewiegelt“, meint Kuessner. So sei sein Kollege Manfred Hampel wie ein kleiner Schuljunge behandelt worden, als er der Treuhand konkrete Unterlagen über einen Betrug des westdeutschen Unternehmers Wolfgang Greiner am Dampfkesselbau Hohenturm vorlegte. Als der Betrieb zwei Wochen später auf der Tagesordnung des Bundestagsausschusses Treuhand stand, zeigte sich der Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums völlig uninformiert. Und auch bei einer zweiten Sitzung, bei der der zuständige Treuhanddirektor geladen war, waren die Informationen noch immer nicht zu ihm durchgesickert. Vor ein paar Tagen wurde Greiner festgenommen.
„Die auf diese Weise verlorenen Wochen haben schlimme Folgen für die betroffenen Betriebe“, so Kuessner. Und für die SteuerzahlerInnen: Wenn die Investitionshilfen weg sind, muß die öffentliche Hand nachlegen, soll ein Bankrott verhindert werden. Die Treuhand will die 18 Greiner-Firmen zwar zurücknehmen und erneut privatisieren — ohne großzügige Mitgift aber wird sich genau wie beim ersten Mal kein vermeintlicher oder realer Investor finden.
Die SPD will in der ersten Sitzungswoche im September einen Untersuchungsausschuß beantragen. „Der soll die Seilschaften aufdecken und außerdem Schlußfolgerungen für die weitere Arbeit ziehen“, formuliert Kuessner das Ziel. Der Vorsitzende des Treuhandausschusses Arnulf Kriedner (CDU/CSU) hält das für „politische Effekthascherei“. Und sein Mitarbeiter Oliver Lorenz bringt die Ressentiments noch deutlicher zum Ausdruck: „So ein Untersuchungsausschuß kann ja nur in alten Fällen rumwühlen. Außerdem schreckt das Investoren für die verbliebenen 1.600 Treuhandbetriebe ab.“ Beruhigend für alle Betrüger fügt er hinzu: „Das Finanzministerium als Aufsichtsbehörde wäre der Buhmann. Deshalb würde jeder gefährliche Beschluß abgeblockt.“ Und in Richtung Opposition: „Man würde auch viel Dreck bei der SPD finden.“
Zwar wissen auch die Vertreter der christlichen Parteien, daß bei der Treuhand vieles schiefgelaufen ist. So wurden erst ab Mitte 1991 Vertragsstrafen für den Fall vereinbart, daß der Investor die zugesagten Arbeitsplätze nicht einhält. Und die Zweigstelle Halle gilt allgemein als „schlampiger Haufen." Aber mit Hinweis darauf, alles habe schnell gehen müssen, wird jede grundsätzliche Kritik vom Tisch gewischt. „1990 wurden massenhaft Leute eingestellt bei der Treuhand. Daß da auch Nieten beiwaren, war klar“, sagte der Assistent von Arnulf Kriedner.
Erst im Juli nimmt eine zentrale Controlling-Abteilung ihre Arbeit in der Treuhandanstalt auf. Sie soll die Nachverhandlungen kontrollieren, wenn Investoren ihre Investitions- und Arbeitsplatzzusagen nicht einhalten können oder wollen. Doch auch das muß Betrügern unter den Investoren keine schlaflosen Nächte bereiten. „Natürlich können wir nur Stichproben machen“, räumte Hans H. Lürken, Direktor Vertragsmanagement Controlling bereits ein.
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