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Hiebe & Liebe der Matrosen

■ Waller Hafenbar-Erinnerungen, heute abend in der GaDeWe aufgewärmt

Deutschland ist Weltmeister — im Bananenfuttern. 1953. Im Osten regt sich der Volksaufstand. Im Bremer Westen aber tut sich wenig: An der „Küste“, dem ollen Rotlichtbezirk am Holzhafen, sparen die Schichtarbeiter freie Tage und ein Paarmarkfuffzich zusammen, um sie im „Golden City“, dem ersten Puff am Platze, auf den Kopp zu hauen. Die trümmerig-schöne Atmosphäre dieser vergangenen Zeit lebt: Eine bild-und wortmächtige Installation in der GaDeWe beschwört den spröden Charme der „Küste“ noch einmal herauf.

„Oskar feiert seinen 34. Geburstag im Golden City“ — unter diesem sehr präzisen Titel bieten Jürgen Hänel und Ulrich Reineking-Drügemöller ihre liebevolle Rekonstruktion des Waller Nachtlebens dar. Heute abend, zur Halbzeit der Ausstellung, laden beide um 20 Uhr zur literarisch-artistischen Soiree: Die GaDeWe soll für einen Abend lang selbst im matten Glanz der Nachtbars erscheinen, festliche Bestuhlung, Freddy-Schnulzen aus dem Koffer- Plattenspieler sowie salbungsvolle Worte von Seemannpfarrer UrDrü inklusive.

Der Dichter nämlich hat jenen Dockarbeiter Oskar erfunden, dessen Geschichte die GaDeWe-besucherInnen durch die Ausstellung begleitet. Wie Oskar mit seinen Kumpels im „Golden City“ einen drauf machen will; wie er seine neue Kreidler vorführt; wie mit den „Ladies“ seinen kleinen, großen Tag feiert — das schildert UrDrü in wunderschön ausgemalten Details und Anekdoten.

Ein gleiches versucht dann auch der Maler Jürgen Hänel in seinen Bildern. In grellen Farben und tiefen Schatten zeichnet er den Liebreiz der gebrochenen Schönheiten nach — von weiter Ferne grüßt Herr Beckmann. Für ihn war die Welt der Cabarets und Nachtbars ein Sinnbild für die Bühne des Lebens; kaum Geringeres behaupten Hänel & UrDrü: „Es geht um die Käuflichkeit des Lebens“.

Aber es geht letztlich auch um einen wehmütigen Blick zurück. Hänel, der in Walle schließlich aufwuchs, spricht von jener „sentimentalen Würde" des Ortes. Und da tauchen die Künstler ihr Einnerungsbild der „Küste“ dann doch in mildes, nostalgisch- herzenswarmes Licht. Da können Oskar & Co. noch so gebrochen skizziert sein, da können die Farbtöne noch so schmutzig angemischt sein. Am Ende bleibt doch ein großer Seufzer, und das Wimmern aus Freddys Matrosenkehle. tom

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