piwik no script img

„Am schönsten ist das Matschen“

■ Von Lehmhüttenbau, Bauchtanz und Computerrudern am Kleinen Wannsee: Ein Streifzug durch das Berliner Ferienpaß-Programm / Schon 50.000 Pässe verkauft

Mit gelben Gummistiefeln und einer „Sailor“-Schirmmütze angetan, stapft der siebenjährige Tobias genußvoll durch die Pfützen auf dem Abenteuerspielplatz an der Boxhagener Straße in Friedrichshain. „Am schönsten ist das Matschen“, verrät er mit strahlendem Gesicht. In den Sommerferien werden hier nämlich Lehmhütten gebaut. In einem Kübel wird Lehm, Wasser und Stroh zusammengeschüttet und jedes Kind darf mal rein und das ganze zu Brei stampfen. „Jede Hütte hat ihr eigenes Konzept“, sagt Horst, der gerade kleine Kanäle aushebt, um die Häuser vor dem Zerfließen zu retten. So gibt es etwa ein Afrika- Rundhaus mit Palmwedeln und ein orientalisches Haus in Ziegelbauweise. Die Kinder sollen sich die Lebensweise jenes Drittels aller Menschen vorstellen können, das tatsächlich im Lehmhütten lebt. „Gestern haben sie uns auch eine Geschichte erzählt, da sind wir nach Afrika geflogen“, berichtet die 12jährige Dajana.

Das Lehmhüttendorf ist nur eine der zahlreichen Aktivitäten, die der Ferienpaß der Jugendverwaltung für Kinder und Jugendliche bereithält. Ein Besuch der Galopprennbahn Hoppegarten ist genauso möglich wie gratis auf den Fernsehturm und die Siegessäule oder in die Sternwarten und das Großplanetarium. In der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg werden neben Kino-, Theater- und Puppentheater täglich Workshops in Seidenmalen, Ikebana und Bauchtanz und Trommeln angeboten. „Die Kinder sollen selbst herausfinden, was sie interessiert und was Spaß macht, vielleicht machen sie ja nachher weiter“, sagt Organisator Bernd Härtling.

„Rudern und Computern“ ist das Motto einer je fünf Tage währenden Ferienaktion der Jugend- Computer-Schule im Wedding. Angefangen hatte es mit reinen Computerkursen. Er habe aber die Kinder im Sommer nicht den ganzen Tag einsperren wollen, sagt Geschäftsführer Frank-Detlev Brenning. Jetzt kommen jeweils bis zu 20 TeilnehmerInnen in das Haus des Rudervereins Astoria. Vormittags lernen sie, Amiga- und Dos-Rechner zu programmieren und zu bedienen, nachmittags paddeln sie in Einer-, Zweier- oder Vierer-Kanus über den Kleinen Wannsee. „Die Ergebnisse der Regatta schreiben wir gleich in den Computer“, sagt Stefan. Da bisher nur wenige Mädchen an dem Programm teilnehmen, wolle man es im Herbst mit „Reiten und Computern“ versuchen, so Brenning.

In den fünf Lehrküchen der Gasag gibt es im Sommer Kochkurse für Kinder. Der siebenjährigen Alexandra aus Wedding hat die selbstgebackene Pizza sogar besser geschmeckt als zu Hause, und der Schoko-Vanille-Pudding mit Kirschen klebt ihr jetzt noch um den Mund. Ihr Nachbar wurde von seiner Mutter hergeschickt. „Es hat aber trotzdem Spaß gemacht“, gibt er zu und zeigt stolz den Kugelfisch aus Quark-Öl-Teig, den er hergestellt hat. „Die Kinder lernen hier, etwas mit Dingen zu tun, die sie aus ihrem eigenen Haushalt kennen“, sagt Renate Decker. Vom Zerbröseln der Hefe bis zum Hacken der Kräuter für die Salatsoße machen die Kinder alles selbst – und lernen nebenher sowohl, wie ein Gasherd funktioniert, als auch, wieviel Arbeit in einer Pizza steckt.

Rund 50.000 der Ferienpässe sind bereits verkauft, es mußten sogar schon welche nachgedruckt werden. „Für uns ist das ein Zeichen, daß die Ferien in der Stadt wirklich eine Bedeutung haben für die Kinder, die nicht wegfahren“, sagt Jugendsenator Krüger (SPD). Am häufigsten genutzt werde wie jedes Jahr die Möglichkeit, kostenlos ins Schwimmbad gehen zu können. Bis Pfingsten nächsten Jahres behalten die Pässe in allen Ferien ihre Gültigkeit. Es gibt sogar für jede Ferien besondere Angebote, in den Herbstferien etwa ein Probenbesuch im Friedrichstadtpalast oder in den Weihnachtsferien eine Theaterfahrt nach Dessau. Corinna Raupach

Den Ferienpaß gibt es für 10 Mark in allen Schwimmbädern, im FEZ und beim JugendKulturService, Klosterstraße 68-70, 10179 Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen