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■ Hypercolor-Klamotten – vor Chamäleons wird gewarntPigmente in der Radlerhose

Düsseldorf (taz) – Ja, so sind sie, unsere modernen Erlebniskaufhäuser: Kaum haben wir sie betreten, bescheren sie uns ungeahnte Entdeckungen, und schon wissen wir wieder, staunend vor irgendeiner Auslage: Das hat uns gerade noch gefehlt.

Zum Beispiel Hypercolor-Klamotten. Ganz normale sommerfröhliche T-Shirts, Radlerhosen und so weiter – könnte man glauben. Doch was macht sich der Verkäufer mit einem Elektrofön daran zu schaffen: Er hält mit der Warmluft drauf und, hastdunichtgesehen, schon hat das Zeug die Farbe gewechselt. Genauer gesagt, es ist vollständig erbleicht. Eben war da noch diese kräftigbraune Surfergestalt unter strahlendem Azur, jetzt ist alles wie in Rauhreif getaucht. Quod erat demonstrandum.

„Amerikanisches Patent“, schwärmt der Mann, während sich das Vorführobjekt langsam wieder erholt und seine gesunde Tönung zurückgewinnt, „dort gibt es das schon seit zehn Jahren, Schlafanzüge, Bettwäsche, alles mögliche.“ Ein spezielles Farbpigment macht's möglich: Ab 25 Grad Celsius bekommt der Stoff die ersten nervösen Flecken und changiert ins Neo- Batikmäßige. Irgendwo jenseits von 30 Grad macht das Pigment dann endgültig die Schotten dicht – das Textil erscheint in ebenmäßiger Blässe.

Natürlich trägt der Verkäufer selbst so ein Hyperwams am Leibe. Und das mitnichten nur im Dienst. Fröhlich gesteht er, sich auch in seiner Freizeit damit manchen Jux zu leisten. Besonders liebt er es, bei Sonnenschein ein Kölner Straßencafé aufzusuchen – nicht ohne zuvor sein T-Shirt im Schatten ausreichend gekühlt zu haben – und dann die Wirkung des minutenschnell eintretenden Farbmirakels zu genießen: „Den Rentnern fällt regelmäßig der Kuchen aus dem Gesicht.“

Der Verwandlungsküstler und Scherzkeks kommt zu den seriöseren Produktinformationen: 100 Prozent Baumwolle, Waschen bei 30 Grad, jawoll, auch Bügeln ist unbedenklich (den automatischen Farbzauber gibt's jedesmal gratis dazu), wobei Junggesellen durchaus auch gut damit fahren, das Stück einfach naß aufzuhängen.

Was ferner Beachtung verdient: Auch Allergiker sollen angeblich ohne irgendwelche Komplikationen ins Hypercolorierte schlüpfen. Da sei nämlich „keine anorganische Chemie“ im Spiel, erklärt der Fachmann etwas zusammenhanglos, die Pigmente funktionierten eben wie beim anmutigen Chamäleon.

Arge Gedanken steigen da in mir hoch: Landen womöglich diese possierlichen Schuppenkriechtiere mit der schnellen, klebrigen Zunge und dem netten Wickelschwanz zuhauf auf der Schlachtbank, geben sie ihr unschuldig Blut, ihr Pigment und ihre Seele für die menschliche Hypercolor-Hybris hin? Nur damit ein paar Kölner Rentnern die Schwarzwälder Kirschtorte wegrutscht? Und damit die Eingeborenen in Agadir, Antalya oder sonstwo auf dieser Welt wieder was über die deutschen Touristen zu staunen haben? Und müssen die Chamäleons ihre Verfärbungsethik hier nicht zutiefst pervertiert finden? Sie tun's, um sich zu tarnen, wir hingegen, um noch unangenehmer aufzufallen.

Der Verkäufer jedoch hat sich längst neuer, hoffnungsvollerer Kundschaft zugewandt. Schließlich will er Umsatz machen und nicht ewig Fragen beantworten. Da interessiert sich jemand für wärmesensible Damenbodys, die mit den delikaten Druckknöpfen unten.

Zu Hause lese ich im Lexikon über das Gemeine Chamäleon: „Verträgt die Gefangenschaft nur schlecht und überlebt höchstens ein Jahr.“ Wenn das mal mit den Hypercolor-Textilien nicht genauso ist. Olaf Cless

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