: Keile auf dem Jungfernstieg
■ Prügel vor Gericht / Blutige Nasen, mildes Urteil
Blutige Nasen zum Ende des Alstervergnügens 1992. Der 26jährige Torsten B. entleerte gerade seine Blase von der Jungfernstieg-Brücke, als er von mehreren Männern angepöbelt wurde. Von einschlägigen Erfahrungen wußte er: Angriff ist die beste Verteidigung - und schlug zu. Das brachte ihm dicke Augen und eine Jochbeinprellung. Zwei standen nun vor Gericht.
„Das war eine Hauerei, wie man das so macht - mit Fäusten“, erinnerte sich der Angeklagte Jens Lu. (24). Der Arbeitslose spricht unklar, schildert den Hergang sprunghaft. „Ich habe nicht furchtbar viel begriffen“, sagte Richter Voos. Soviel wurde aber deutlich: Jeder der Kontrahenten war alkoholisiert und fühlte sich im Recht.
Dem stand Richter Voos in nichts nach. Autoritär leitete er die Verhandlung, ließ besonders die Anwälte seine hoheitliche Macht spüren. „Warten Sie, bis Sie an der Reihe sind“, fuhr er bei ihren Fragen mehr als einmal dazwischen. So verlief der Prozeß bis zum Schluß in aggressiver Stimmung.
Auch der zweite Angeklagte, der 26jährige Sven Lo., hatte keine genaue Erinnerung an den Tathergang. „Wer als erster zugeschlagen hat, weiß ich nicht.“ Jemand habe gegenüber B. einen „Flachs“ gemacht, der wohl falsch verstanden wurde. „Es wurde gebrüllt und gerangelt, dann flogen die Fäuste.“ Lo. beeindruckte die Angelegenheit kaum.
Der Geschädigte Torsten B. betrat den Gerichtssaal mit einem schrägen Blick auf die Angeklagten. Doch groß kann die Feindschaft nicht sein, denn der Verkäufer hat keinen Strafantrag gestellt. Die Staatsanwaltschaft verfolgt den Fall aus „öffentlichen Interesse“. B. erzählte: „Ich fühlte mich bedroht.“ Nach der Auseinandersetzung war er eine Woche krankgeschrieben. Doch gibt er zu: „Selbst habe ich mich auch nicht besonnen verhalten.“
Getroffen hat es auch einen Vierten, der schlichten wollte. Stefan P. ging dazwischen, gab sich sogar als Polizist aus - und bekam die „volle Aggressivität“ ab. Doch der 19jährige Schüler suchte ebenfalls die Schuld zuerst bei sich, verzichtete auf einen Strafantrag. Denn letztlich konnte die „richtige“ Polizei schlimmeres verhindern. So kamen die Angeklagten mit Geldbußen von 1200 und 600 Mark davon. Das ist auch in Ordnung. Denn alle haben etwas abbekommen und langwierige Schäden sind bei keinem zurückgeblieben.
Torsten Schubert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen