: Schöne Grüße vom Kommissar
■ Frank Goyke läßt seinen Krimikommissar in Berlin recherchieren
Nein, mit seinem Buchhelden Dietrich Kölling hat Frank Goyke auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Mit fast 32 Jahren ist der gebürtige Rostocker weitaus jünger als der Hauptkommissar und sieht keineswegs aus wie ein gestandener, abgefeimter Bulle. Nur drei Details, die irritieren bei näherem Hinsehen: Auch Goyke trägt eine Brille, und wenn er sich an seinen Laptop setzt und schreibend in die Welt der Mörder und Polizisten hinabsteigt, braucht er zwei Lebenselixiere, auf die auch Kölling im Berliner Kripogebäude in der Keithstraße nicht verzichten kann: Viele Zigaretten und literweise Kaffee.
Mit seinem Hauptkommissar, den es über Hannover, Leipzig nach Berlin verschlagen hat, verbindet den jungen Autor eine quälende Symbiose, ein „fast schon manisches Verhältnis“, wie er sagt. Wenn er er nicht gerade in dem Zwei-Mann-Verlag „edition monade“, in dem bislang drei seiner Krimis erschienen sind, als Lektor die Manuskripte anderer Autoren betreut, geht er auf Recherche.
Für seinen vierten Kölling- Band, den er gerade begonnen hat, wanderte er jüngst ausgiebig durch Hohenschönhausen, besuchte Kneipen, erforschte die Stimmung. Denn, so Goyke, bei einem Krimi müsse „alles hieb- und stichfest sein, bis hin zu solchen scheinbar nebensächlichen Details wie die Besoldungsgruppe der Polizei“.
Goyke, der in der DDR Theaterwissenschaften studiert und danach im Verlag „Neues Leben“ gearbeitet hat, ist ein Schnellschreiber. Drei bis vier Monate braucht er für einen neuen Krimi. Szenen und Dialoge, so erzählt er, ergäben sich während des Schreibens, manchmal nehme die Geschichte dadurch auch einen unvorhergesehenen Verlauf. Den Plot liefert in Goykes Büchern zum Großteil die Realität. So auch in seinem nächsten Werk, das sich an den Fall eines Telefonmörders anlehnt, der in den achtziger Jahren die Ostberliner Polizei in Atem hielt.
Goyke, der schon mit 14 erste Geschichten schrieb, konnte sich lange Zeit nicht zwischen Krimis und Belletristik entscheiden. Jahrelang quälte er sich erfolglos mit einem Manuskript ab, das genau diesen Konflikt widerspiegelte und mit der Zeit auf mehrere tausend Seiten anwuchs und schließlich endgültig in die Schublade wanderte. Seine Zweifel, so sagt er heute, hätten auch mit dem immer noch schlechten Ruf zu tun gehabt, den ein Krimiautor in Deutschland genieße. Von Selbstzweifeln erlöste ihn schließlich sein Freund Oliver Schwarzkopf, zugleich Chef von „monade“, der ihn vor über einem Jahr zu seinem ersten Kölling- Krimi anregte.
Daß in seinen Büchern Kölling nicht als einsamer Kämpfer daherkommt, sondern dem von seinem Kollegen Becker und der Kommissarin Blissow assistiert wird, ist nicht nur ein dramaturgisches Element. Goykes Vorbild ist das schwedische Krimipaar Sjöwall/ Wahlöö, das vor mehr als dreißig Jahren erfolgreich die europäische Variante des Krimis vorexerzierte, wonach Verbrechen nur im Team gelöst werden. Selbst wenn er einmal einen Privatdetektiv erfinden sollte, könne er sich – zumal in Deutschland – keinen Typen wie Philip Marlowe vorstellen. „Der einsame Mann, der durch die Stadt streift, im unaufgeräumten Büro auf Kunden wartet und seinen Frust mit Whiskey herunterspült, sind doch lauter Klischees“, meint Goyke. Zumindest bei seinen Besuchen in einer Großdetektei, die ihm zuweilen mit Ratschlägen zur Seite steht, habe er dieses Bild nie vorgefunden. Ähnlich wie Kölling, der ein kühler Beobachter seiner Umwelt ist, glaubt Goyke, daß auch der Krimischriftsteller „kein Moralist“ sein dürfe. Und wenn er dann über Kriminalität als eine „Art von Konfliktbewältigung“ spricht, über Berlin als „einzigartiges, differenziertes Konfliktfeld“, dann kommt Frank Goyke seiner Figur Dietrich Kölling plötzlich wieder sehr nahe. Der sei, sagt er, zwar ein Zyniker, aber „ein sympathischer Zyniker – und bitte schön, kein Ekel!“ Severin Weiland
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