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Die Ängste der 90er

■ Fantasy Filmfest im Metropolis bis zum 25. August

An den Sujets der Filmindustrie lassen sich gesellschaftliche Nöte ablesen. Manifestierte sich in den Godzillas der 50er und 60er die Angst vor der Atomenergie und dem unbeirrbar vorangetriebenen Fortschritt, so erklärten die Horrorfilme der 70er Jahre den Menschen selbst zur teuflischen oder zombie-esken Bedrohung. Mit beginnender Rezession der Mittachtziger wurde die Furcht dann wieder nach außen projeziert: Alle Aliens kamen nun wieder aus dem All. Wie die Ängste der frühen 90er filmisch umgesetzt werden, beantwortet das Fantasy Filmfest, das gestern im Metropolis begann.

Das Festival bietet 30 Filme der Genres Horror, Splatter, Grusel, Science Fiction, Fantasy und Psycho. Neue amerikanische Groß-Produktionen von renommierten Regisseuren dominieren, doch für Fans des dreckigen, kleinen No- oder Low-Budget-Streifens gibt es eine splatterige Kurzfilm-Compilation am Donnerstag um 22.45 Uhr.

Das Hauptprogramm (Beginn 18.45 Uhr) greift neben den klassischen Horror- und Fantasy-Themen wie unheimliche Häuser (Where Sleeping Dogs Lie), Seelen in falschen Körpern (Prelude To A Kiss), zu groß geratenen Insekten (Ticks) und Druidenmysterien (Warlock: The Armageddon) die Ängste der 90er auf. Zum einen widmen sich die Filmer der fortschreitenden Macht der Medien (L'Uomo Del Sogno von Paolo Marussig), dem technischen Fortschritt (12:01 von Jack Sholder), der Bedrohung durch Chemikalien (Freaked von Alex Winter, Tom Stern) oder Genexperimenten (Carnosaur von Adam Simon, Roger Corman).

Dem gegenüber steht die Angst vorm Sex, genauer vor der momentan populären Erotik-Variante des Sadomasochismus. I Am Your Nightmare von Tobe Hooper beruft sich auf Marquis de Sade, während der Psychothriller Whispers In The Dark (von Christopher Crowe) dem weiblichen Masochismus nachgeht. Nicht neu, doch immer wieder interessant scheint die Beschäftigung des Filmmediums mit sich selbst zu sein. In The Pickle ärgert sich Paul Mazurksky über dumme Produzenten und verblödete Fans und serviert ihnen - Film im Film - eine riesige Gurke als Raumschiff. Ähnlich ironisch spielt Joe Dantes Matinee mit dem Horror-Klischee des Überdimensionalen.

Bemerkenswert ist die Fülle der Erstaufführungen und deutschen Premieren, von diesen 19 Filmen wurde bislang keiner synchronisiert, nur drei sind mit Untertiteln versehen. In deutscher Sprache sind nur die Klassiker der Reihe „20th Century Fox Goes Fantasy“ zu hören (und zu sehen): Der politische Außerirdischen-Film Der Tag, an dem die Erde stillstand aus den 50ern, Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, die Horror-Parodie Frankenstein Junior (von Mel Brooks), das Schloß des Schreckens (mit Deborah Kerr), Die Phantastische Reise (Raquel Welch reist durch den menschlichen Körper) und Das Phantom im Paradies, ein Phantom-der-Oper-Remake für Jugendliche von Brian de Palma.

Befremdlich wirkt in dieser Fantasy-Reihe das Comic-Paket mit unzensierten Streifen von Bugs Bunny, Daffy Duck und Roadrunner (Sonntag, 14.15 Uhr). Das Fantasy-Filmfest startet, während das Metropolis noch behindertengerecht umgebaut wird. Über Bauschutt müsse man aber beim Fantasy Filmfest nicht klettern, wurde versichert. Annette Bolz

Metropolis, Telefon: 342353

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