Gesundheitsbehörde soll haften

■ UKE-Strahlenskandal: Ärzte im AK Harburg von Anfang an informiert / Patientenanwalt legt neue Krankenakten offen   Von Sannah Koch

Die Chirurgie im Allgemeinen Krankenhaus Harburg war bereits Ende 1986 über die neue Strahlentherapiemethode des inzwischen suspendierten UKE-Chefarztes Hübener unterrichtet worden. Und obwohl bereits im Frühjahr 1987 Patienten aus dem UKE in der Harburger Klinik aufgrund schwerer Strahlenschäden nachbehandelt werden mußten, wurden aus Harburg weiterhin Patienten zur Bestrahlung in die Uniklinik überwiesen. Dies geht aus drei Krankenakten hervor, die Patientenanwalt Wilhelm Funke gestern in einem Brief an den Gesundheitssenator Ortwin Runde offenlegte. Seine Schlußfolgerung: Die Ärzte des AK Harburg hätten einen „groben Behandlungsfehler“ begangen, daher müsse die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) jetzt in die Schadenshaftung miteinbezogen werden.

In den vergangenen Wochen hatte sich die Frage aufgedrängt, welche Ärzte über die UKE-Bestrahlung und ihre teilweise tödlichen Folgen Bescheid gewußt, aber dennoch geschwiegen hatten. Aus den drei Krankenakten geht klar hervor: Als der Darmkrebspatient Z. im Dezember 1986 wegen einer präoperativen Bestrahlung ans UKE überwiesen wurde, erhielt der Leiter der ersten Chirurgischen Abteilung des AK Harburg am 19. 12. vom UKE eine schriftliche Information über die neue Therapieform – inclusive der erhöhten Einzeldosierungen, die nach dem Urteil der Gutachter zu den schweren Nebenwirkungen führten.

Bereits zwei Monate nach der Bestrahlung, im Februar 1987, wurden bei Z. in Harburg erste schwere Strahlenschäden registriert. Er mußte nochmals operiert werden, wurde aber trotzdem zur weiteren Bestrahlung ins UKE geschickt. Im Juli 1987 erlebte die Patientin B. die gleiche Prozedur: Auch sie wurde zur präoperativen Bestrahlung ans UKE überwiesen und auch bei ihr traten unmittelbar darauf Strahlenschäden auf, die im AK Harburg vom Leiter der Chirurgie operativ nachbehandelt werden mußten. Die Patientin B. verstarb dennoch 1991. Trotz dieser Vorgänge wurde auch die Patientin Thea Steinbeck im Juni 1988 an die Uniklink überwiesen. Auch sie starb 1991 qualvoll an den Folgen der Bestrahlung.

Rechtsanwalt Funke in seinem Schreiben an Senator Runde: „Die haftungsrechtliche Mitverantwortung des AK Harburg ist somit offensichtlich. Als krebsbehandelndes Krankenhaus war es nicht nur unverantwortlich, sondern auch rechtlich im höchsten Grade verwerflich, Patienten über Jahre weiterhin dem unvertretbaren Bestrahlungsprogramm im UKE auszusetzten.“ Zumal, wie seine Befragungen ergeben hätten, das AK Harburg auschließlich ans UKE und nicht ans AK St. Georg überwiesen hätten.

Aus der BAGS war gestern keine Stellungnahme zu bekommen, man wolle die Angelegenheit erst gründlich prüfen, erklärte Sprecher Hans-Joachim Breetz.