Die IG Metall leidet

■ Industrieabbau beschert der Gewerkschaft 28 Prozentweniger Mitglieder in Ostberlin / Tiefpunkt ist noch nicht erreicht

Die Schließung der Industriebetriebe und der Abbau von Arbeitsplätzen macht der Industriegewerkschaft Metall (IGM) in Berlin zu schaffen. Allein in Ostberlin haben innerhalb von elf Monaten rund 28 Prozent der Mitglieder ihrer Gewerkschaft den Rücken gekehrt. Im Westteil der Stadt waren es hingegen nur 4,7 Prozent.

Nach Angaben der IGM-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg standen im Juni 1992 noch 62.313 Ost- und 47.897 Westberliner Metaller in der Kartei, im Mai dieses Jahres waren es im Osten noch 44.730 und im Westen 45.622 Gewerkschaftsmitglieder.

Trotz der „dramatischen Rückgänge“ im Osten, so der stellvertretende Bezirksleiter Holger Balke zur taz, könne nicht von einem Vertrauensschwund gesprochen werden. Hauptursache sei die Schließung vieler Industriebetriebe durch die Treuhand. Nur ein verschwindend geringer Teil habe die Gewerkschaft nach dem im Frühjahr geschlossenen Tarifkompromiß mit den Arbeitgebern der ostdeutschen Metall- und Elektrobranche verlassen. Im Mai hatte – zum Ärger vieler Mitglieder – die IGMetall einer Angleichung der Ost- an die Westlöhne in sechs Stufen bis zum 1. Juli 1996 zugestimmt. Ursprünglich sollte dies bereits im April 1994 erreicht werden, war aber durch die kurz vorgenommene Kündigung des Tarifvertrags von Seiten der Arbeitgeber verhindert worden.

Als Beweis für ihre Gewerkschaftstreue wertete Balke die Tatsache, daß viele arbeitslose Mitglieder nach wie vor ihre Beiträge in die Kasse der IGMetall zahlen. So seien über ein Drittel der Ostberliner Metaller – rund 18.000 – Arbeitslose, Vorruheständler oder Rentner. Dies sind laut Balke deutlich mehr als im Weststeil der Stadt, wo rund 13.000 Mitglieder ohne Beschäftigung der IGM weiterhin die Stange halten. Er räumte allerdings ein, daß mit einem weiteren Mitgliederschwund – besonders im Osten – zu rechnen ist: „Der Tiefpunkt wird wohl bald erreicht sein.“

Paralell zum Mitgliederrückgang nimmt jedoch die Arbeit der IGMetall zu. Durch die Privatisierung vieler ehemaliger Treuhandbetriebe – etwa durch Gründung von GmbHs oder Management- buy-out-Betrieben (MBO) – steige die Zahl der Metaller, die etwa beim Aufbau von Betriebsräten beraten werden wollen, so der Sprecher der IG-Metall-Bezirksleitung, Michael Böhm. An personellen Einsparungen im IG-Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg ist nicht gedacht. Man hoffe, die Mindereinnahmen, die durch den Mitgliederrückgang verursacht werden, durch rationellere Verwaltungsarbeit auszugleichen, erklärte der stellvertretende Bezirksleiter Balke. Insgesamt arbeiten in Berlin und Brandenburg in den acht Verwaltungstellen und der Bezirksleitung rund 180 Beschäftigte. In der Verwaltungsstelle Berlin werden allerdings nach Angaben der Stadtteilsekretärin Birgit Kotzur einige Zeitverträge nicht mehr verlängert werden können. Severin Weiland