■ Normalzeit: Von Busspuren und Rechtsüberholern
Zur Geburtstagsfeier Eberhard Diepgens, die in den Räumen seiner früheren Anwaltskanzlei in der Lützowstraße stattfand, hatte man auch den Berliner Chef der britischen Unternehmensberatungsfirma Price- Waterhouse eingeladen. Er war da noch neu in der Stadt und fragte den CDU-Vordenker rundheraus. Warum soll ich Sie wählen, Herr Diepgen?
Der Regiermeister erzählte ihm daraufhin eine Viertelstunde lang städtische Probleme. Dem Price-Waterhouse-Manager blieb davon das mehrfach erwähnte Wort „Busspur“ in Erinnerung, mit dem er jedoch gar nichts anfangen konnte. Erst als er Wochen später, mit seinem gerade gekauften neuen Auto, den Kudamm runterfuhr und dort auf dem Asphalt das Wort „Bus“ neben einer durchgehenden weißen Linie entdeckte, ging ihm ein Licht auf. Und gleichzeitig mußte er laut loslachen – über diesen verkehrsordnungspolitischen Quatsch, den der Bürgermeister als so wichtig einschätzte.
Ihm fiel dazu der Satz einer CDU-Dame aus Zehlendorf ein, die ihm auf der selben Geburtstagsfeier gesagt hatte: Der Eberhard hat immer noch nicht gemerkt, daß man die Stadt nicht mehr durchs Schnapsglas regieren kann. Auch über Heinrich Lummer machte sie eine despektierliche Bemerkung. Sie nannte die jüngste ausländerfeindliche Initiative des kleinwüchsigen Lummer „Prognom“.
Ich gab dem Mann von Price- Waterhouse jedoch zu bedenken, daß Lummer immerhin regelmäßig und liebevoll die Hanfpflänzchen seiner Tochter gießt, wenn diese mit ihrem Freund in Urlaub fährt. Auch über seinen mittlerweile verstorbenen Vordenker, den Zehlendorfer von Lobenthal, gemeinhin als beinharter Revanchist in schlechter Erinnerung, wußte ich Gutes zu berichten: Er besaß eine Polsterwerkstatt in Kreuzberg, die er jahrzehntelang und von seiner Familie (den späteren Erben) unbemerkt mit großem finanziellen Aufwand „am Leben“ erhalten hatte.
Nur aus Sentimentalität und weil er sich nicht traute, die Leute zu entlassen, um den Betrieb zu liquidieren. Am Anfang seiner Nachkriegskarriere war er mal in Braunschweig mit einem Polsterei-Betrieb pleite gegangen und deswegen sogar kurz im Gefängnis gewesen. Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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