: Der Traum vom guten Fußball
Werder Bremen–Bayern München 1:0 / Trotz guten Spiels verloren die Münchner im Weserstadion und haderten mit dem Schiedsrichter ■ Aus Bremen Dieter Mützelburg
„Seit Wochen werden wir von den Schiedsrichtern ungerecht behandelt“, schimpfte Bayern-Trainer Erich Ribbeck nach der 0:1-Niederlage bei Werder Bremen. „Und wenn ich zehn rote Karten kriege, sage ich meine Meinung über solche Schiedsrichter“, trotzte Lothar Matthäus, dem Schiedsrichter Merk aber nur Gelb gezeigt hatte. Eine von fünf gelben Karten gegen die Bayern, die in der 89. Minute mit einer gelb-roten ergänzt wurden. Jan Wouters, der anders als Matthäus nicht nur mit dem Mund foul gespielt hatte, mußte den Platz verlassen.
Ein bißchen recht hatten die Bayern mit ihrem Gemeckere. Merk pfiff fast jedes Foul der Bayern ab, bei Bremer Härten hingegen hielt er sich zurück. Das hatte Gründe: schon nach zehn Minuten verletzte sich Herzog nach einem Foul von Sternkopf am Knie, eine Viertelstunde später setzte Wouters seinen Ellenbogen gegen den Österreicher ein. Herzog wurde mit einer Schädelprellung ins Krankenhaus gebracht. Außerdem mußte Merk seinen schwersten Fehler ausgleichen. Ein kurz vor Halbzeit aus Abseitsposition erzieltes Tor von Rufer erkannte er nicht an. Die Fernsehbilder allerdings bewiesen später, was die Bremer dem Schiedsrichter schon auf dem Platz erklärten: der Ball kam vom Gegner, kein Abseits.
Die verbale Hektik nach dem Spiel spiegelte die Hektik im Spiel wieder. Werder stand in der ersten Halbzeit fast nur in der eigenen Hälfte und produzierte mit und ohne Herzog Fehlpässe in Serie. Die Stürmer Rufer und vor allem Hobsch spielten kaum mit. Bayern hingegen zauberte den schnellen Flachpaß über zwanzig Stationen. Doch an Werders Maurermeistern, deren Polier Rune Bratseth hieß, prallte jeder Angriff ab.
In der Pause träumten die Werder-Fans von gutem Fußball. Von Yeboahs-Toren war die Rede, von Okochas-Tricks und Beins Pässen, obwohl sie noch vor dem Spiel in Bremens Straßen gesungen hatten: „Wir brauchen keinen Yeboah, wir haben doch den Hobsch.“ Die 53. Minute gab ihnen ein einziges Mal recht: Hobsch erzielte das 1:0. Danach lief's wie vorher. Bayern spielte, Werder verteidigte mit großem Einsatz.
Doch leider ist auch Bayerns Kolumbianer Valencia kein Yeboah und Matthäus, diesmal fast als Libero spielend, kein Uwe Bein. Und auch Rufer, Eilts, Bode haben nichts von der Spielkunst der Frankfurter. Schade für die meisten Zuschauer, nur den echten Fans war's egal. Sie hatten, wie immer im Weserstadion zu Bremen, den Bayern die Lederhosen ausgezogen. Werder gegen Bayern im Weserstadion, das bleibt so etwas wie Klassenkampf. Einmal im Jahr verwandelt sich der steinreiche Deutsche Meister von der Weser zum Underdog und spielt sich gegen die Feudalherren aus München als Robin Hood des deutschen Fußballs auf.
Werders Trainer Rehhagel beschwor lieber den Fußballgott, der Gerechtigkeit habe walten lassen. Wouters Platzverweis sei gerechte Strafe für seine Attacken auf Herzog, und im übrigen gleiche sich im Fußball alles aus. Die Bayern stehen plötzlich nur im Mittelfeld der Tabelle und lernen gerade, so Trainer Erich Ribbeck hinterher, daß gut zu spielen zum Punktgewinn nicht ausreicht. Freiburgs Trainer Volker Finke muß das ja seit Wochen einsehen. Und Ribbeck lernte auch, daß elf Stars noch keine Punkte einspielen, wenn der Gegner von Anfang bis Ende mit allen Mitteln kämpft. Aber auch das hätte er schon bei Dortmunds Niederlagen gegen Jena und Leipzig erkennen können.
Berti Vogts, der Bundestrainer, hatte es vor dem Spiel schon geahnt: „Hoffentlich wird das nicht wie bei Boris Becker in New York, spannend aber ziemlich schwach.“
Bayern München: Aumann - Jorginho, Kreuzer, Matthäus, Ziege - Sternkopf (64. Nerlinger), Schupp, Wouters, Scholl - Witeczek, Valencia
Zuschauer: 39.197; Tor: 1:0 Hobsch (53.)
Gelb-rote Karte: Wouters (90.) wegen Meckerns
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