Nachschlag

■ Vom Erbsenzählen und Federlesen

Die Staatlichen Bühnen Berlin sind am vorgestrigen Abend fristgemäß beerdigt worden. Ein Theatersterben auf Raten hat damit seinen unwürdigen Abschied gefunden. Nach diversen überflüssigen Taktlosigkeiten, etlichen dümmlichen Protestnoten und nicht zuletzt nach den peinlichen Fingerzeigen auf andere Bühnen – hie Maxim-Gorki-Theater, da Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz – kann man nun gespannt sein, wie es weitergeht in der Berliner Theaterpolitik. Immer noch haben wir 19 staatsgestützte Schauspielbühnen – immer noch ist das Sitzplatzangebot in den hiesigen Theaterpolstern bei weitem umfangreicher als das schwindende Publikum, der finanzielle Spielraum, die kreative Potenz.

Die Lage zwischen Bismarckstraße und Rosa-Luxemburg- Platz wird sich sicher so schnell nicht entspannen. Am Mittwoch hat sich die Leitung des Friedrichstadtpalastes mit einer interessanten Fußnote in die Debatte um die Berliner Theaterlandschaft eingemischt: Gegen „wahrheitswidrige Behauptungen“, die am Vortag auf einer Pressekonferenz der IG Medien über das Revuetheater verbreitet worden seien, erwägt man an der Friedrichstraße rechtliche Schritte. Es seien falsche Zuschauerzahlen genannt und falsche Angaben über Tarifverträge und die Zusammenarbeit mit dem Personalrat gemacht worden. Intendant Julian Herrey meinte dazu, es gebe wie an vielen Bühnen zur Zeit Auslastungsprobleme. 59 Prozent Platzausnutzung in der Großen Revue machen auch ihn noch nicht zufrieden. Aber das alles werde sich nach der gegenwärtigen Tourismusflaute ändern.

Eines ist sicher klar: Die Auslastungszahlen, Haushaltspläne und Tarifdiskussionen werden die Intendanten auch weiterhin verfolgen. Aber nicht die Erbsenzählerei, sondern nur ein grundsätzliches Federlesen wird Orientierung in die Theater-Debatte bringen. Denn nur, wenn die vielen Häuser der Stadt dem schwindenden Publikum ein profiliertes Programm bieten können, werden die Plätze auch auf den Rängen gefüllt sein. Wenn es aber mit Blick auf Platzausnutzungen und Tourismuszahlen bald überall nur noch Shakespeare und Mainstream gibt, wird man die Willigen wohl bald klonen müssen. Klaudia Brunst