„...trotzdem gern gerochen“

■ Hammoniale: Eva-Maria Hagen sang (fast) vergessene baltische, jiddische, russische und finnische Lieder

Sie hatte nur wenig Zeit sich vorzubereiten: „Erst vor acht Wochen habe ich die Lieder kennengelernt“, sagte Eva-Maria Hagen gestern auf Kampnagel. Wohl deswegen hieß ihr erstes Lied „Ich bin zu neu, ich bin zu grün“. Doch von mangelhafter Kenntnis der Materie war nichts zu spüren, im Gegenteil: Eva-Maria Hagens Programm Honig für mein Bärchen schaffte es bereits nach wenigen der baltischen, russischen, jiddischen oder finnischen Lieder, die sonst so kühlen Hamburger mit ihrer „kindlichen Freude“ anzustecken.

Das Publikum klatschte spontan mit, es wurde gelacht oder nachgedacht. Bei romantischen Liebesliedern wie der lettischen Weise „Schlaf schön Bräutchen“, schmiegten sich die Pärchen enger aneinander.

Eva-Maria Hagen ist – zusammen mit Wolf Biermann, der die Lieder übersetzte – eine grandiose Darbietung von einem Stück Kultur gelungen, die, wie sie selber sagt, „viel zu lange hinter dem eisernen Vorhang versteckt war.“ Einige der Lieder, die „Dainas“ aus Lettland, sind seit Jahrhunderten von Frauen und Mädchen gesungen und von Generation zu Generation weitergetragen worden. Alle Lieder handeln von der Liebe, dem Tod oder dem ganz normalen Alltag. Meist waren die Stücke nur wenige Minuten kurz, doch die Inbrunst, die Eva-Maria Hagen in jedes der Lieder warf, entwickelte die gebannte Aufmerksamkeit.

In einem Lied aus Finnland ging es zum Beispiel um eine Frau, die ihren Mann um seiner selbst willen liebt, obwohl er wohl nicht so aussieht, wie sich andere Frauen das wünschen: „Kuschlig ist mein liebster Kerl“. So heißt es dann: „...nur Haut und Knochen – trotzdem gern gerochen...seine Augen schielen...doch er kann so schön Quetsche spielen.“ Ihren Gesang unterstrich die Mutter der Punk-Chanteuse Nina Hagen noch mit allerlei Gestik und Mimik: Mal schielt sie, mal stampft sie als Dicke über die Bühne oder wiegt sich ganz leise im Takt. Das war Honig für Hamburgs Bärchen. Andrew Ruch