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Ernst Waltemathe jobbt beim Baulöwen

■ Nach 22 Jahren im Bundestag will der Bremer SPD-Abgeordnete beweisen, daß Politiker „nicht lauter Nieten sind“

Ernst Waltemathe, seit 21 Jahren für die Bremer SPD im Bundestag, wechselt ins Immobiliengeschäft. Ab 1994 will er ein Jahr lang das Abgeordnetenmandat parallel zu seinem neuen Job beim Bremer Bauunternehmen „Interhomes“ ausüben. Nach der nächsten Bundestagswahl wird Waltemathe dann bis zur Pensionierung nur noch für die Firma des Bremer Baulöwen und türkischen Honorarkonsuls Karl Grabbe Grundstücke in Berlin und Brandenburg aufkaufen.

Für „Interhomes“ ist bereits seit einem Jahr der frühere Innensenator, Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen- West, Peter Sakuth, tätig.

„Es reizt mich, den Beweis zu führen, daß Politiker beruflich etwas leisten können und nicht lauter Dummköpfe, Scharlatane, Schaumschläger oder Nieten sind“, schreibt der 58jährige Waltemathe zur Begründung seines Abschieds aus Bonn in einem Brief an seine Bremer Parteigremien. Nach 22 Jahren Politik wolle er noch einmal „in einen anständigen Beruf“ zurück. Vor 1972 war er als Leiter des Bremer Liegenschaftsamtes ebenfalls mit Grundstücksgeschäften befaßt.

Mit seinem überraschenden Abschied aus der Politik kommt Waltemathe einer Diskussion zuvor, die bereits seit einigen Wochen hinter seinem Rücken über den künftigen SPD-Direktkandidaten im Bremer Osten geführt wurde. Insbesondere der auch bundesweit mit Initiativen zum Asylrecht und zum Verbot rechtsradikaler Parteien bekannte kurzzeitige Bremer SPD-Landesvorsitzende Horst Isola wird nun offen als Nachfolger Waltemathes auf dem Bonner Abgeordnetenstuhl gehandelt. Selber wollte er sich dazu gestern „überhaupt nicht äußern“.

Da im Bremer Westen auch Hans Koschnick den Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag angekündigt hat, muß die SPD nun in Bremen mit zwei neuen Gesichtern antreten. Ganz unbekannt werden die allerdings nicht sein, da neben Isola im Osten der ehemalige Senator, Fraktions- und Parteivorsitzende Konrad Kunick seinen Anspruch auf das Direktmandat im Westen angemeldet hat. Parteichef dort ist übrigens Waltemathes künftiger „Interhomes“-Kollege Peter Sakuth. Entschieden wird die Kandidatenkür für den Bundestag auf Unterbezirksparteitagen im November.

Baulöwe Grabbe freut sich unterdessen auf seinen neuen Mitarbeiter. „Waltemathe soll für unsere Niederlassung in Großmachnow bei Berlin arbeiten“, sagte er gestern auf Anfrage. Günstige Grundstücke für „einige hundert Häuser im Jahr“ soll Waltemathe dort finden. Eine Arbeit, die Grabbe dem Berufspolitiker zutraut. Schließlich stammt der aus der Branche und hat viele Jahre im Bauausschuß des Bundestags gesessen. „Damals waren wir immer verschiedener Meinung, weil Waltemathe für die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften eingetreten ist“, erinnert sich Privatunternehmer Grabbe, der damals schon die Meinung vertreten hatte, daß jede Subventions- Mark an Neue Heimat und Co

hierhin bitte den

alten Herrn

Ernst Waltemathe

eine Verschwendung sei.

Eine besonders soziale Gesinnung wird von dem Hemelinger Arbeiterkind Waltemathe ohnehin nicht mehr verlangt, hat sich „Interhomes“ doch inzwischen völlig aus dem Sozialen Wohnungsbau zurückgezogen. „Vor Jahren hatten wir einmal einen Arbeiteranteil von 28 Prozent unter unseren Käufern, heute sind es nur noch vier“, bedauert „Interhomes“-Chef Grabbe. Und Waltemathe schreibt in seinem Abschiedsbrief an die Genossen: „Die Aufgaben in Bonn haben mich nie dazu verleiten können, den einzelnen Menschen und seine Sorgen, Probleme, Nöte und Hoffnungen nicht mehr zu erkennen.“ Dirk Asendorpf

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