: Männer-Antwort -betr.: "Mutmaßlicher Frauenmörder geschnappt", taz vom 30.11.93
Betr.: „Mutmaßlicher Frauenmörder geschnappt“, 30.11.93
Da ist es dem hh-taz-Chefmoderisten zum Thema „Männergewalt“, Kai von Appen, wieder einmal gelungen, zum Kern des Problems des ewig Gestrigen vorzustoßen: „Vergewaltigt/Ermordet - selber schuld!“ Nachdem der Mord an einer jungen Frau, deren mutmaßlicher Mörder sich dann und wann und ab und zu wegen Vergewaltigung, Raub, Diebstahl in der Obhut einer Hamburger Justizvollzugsanstalt (zumal einer sozialtherapeutischen!) aufhielt, stellte sich die Hamburger Presse (und nicht nur sie) die Frage: Ob die für den verurteilten Insassen H. Verantwortlichen nicht ein klein bißchen leichtsinnig waren und ob ihnen nicht eine klitzekleine Fehleinschätzung unterlief, als sie dem Insassen H. so ein hohes Maß an persönlicher Freiheit zugestanden. Kai von Appen wischt diese Frage im Ansatz vom Tisch indem er sich loyal hinter die Crew von Vollzugsakademikern stellt und moderiert:“ Eine Kommission aus Juristen, Psychologen und Psychiatern hatte den Sexualgewalttäter mehrfach untersucht und keine Bedenken gegen die Freigangsregelung geäußert“. Es wundert Kai von Appen auch nicht weiter, daß dieses Heer spezialisierter Experten so folgenschwer irren konnte. Warum auch hier kritische Fragen stellen, hatte Kai von Appen doch bereits im Untertitel „Junge Frau nahm ihren Mörder im Auto mit“ eine Antwort gefunden. Sie mußte sterben, weil sie den Falschen mitgenommen hatte, und nicht etwa, weil die Expertenkommission den Falschen in Freiheit gelassen hatte. Ein paar Zeilen weiter entfaltet sich denn auch der bequeme Journalismus des Kai von Appen zu einer Meisterleistung, die in der gesamten Hamburger Berichterstattung zu diesem Fall einzigartig ist! Endlich ist eine Erklärung gefunden, die Frage nach der Verantwortung geklärt! „Der 22jährigen Frau war ihr Leichtsinn zum Verhängnis geworden.“ Leichtsinnigerweise hatte sich die junge Frau nicht bei den zuständigen Experten erkundigt, ob von dem dort fast nie Einsitzenden eine Gefährdung ihres Leibes und Lebens zu erwarten sei!? Ach, nein, Herr von Appen, das ginge ja nicht, selbst diese Kapazitäten waren ja zu dem Ergebnis gekommen ...Aber macht ja nix, Herr von Appen: Irgendeine Frau wird schon schuld sein - oder anders: Was hatte Hiroshima eigentlich in Japan zu suchen, als es von der Bombe zerstört wurde? Mit unfreundlichen Grüßen
Jutta Brandewiede
Notruf für vergewaltigte Frauen
und Mädchen e.V.
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