Goldener Boden auf schwankendem Pfad

■ Jahresbericht der Handwerkskammer nur verhalten optimistisch Von Stefanie Winter

Mit der beliebten Assoziation von „Handwerk“ und „goldenem Boden“ ist es nicht mehr weit her, obwohl das Handwerk in Hamburg auf den „Wachstumspfad“ zurückgekehrt sei. Behauptete zumindest der Präsident der Handwerkskammer, Dieter Horchler, gestern auf einer Pressekonferenz. Und legte mit knapp 150 Seiten „Daten, Fakten, Perspektiven“ den Jahresbericht 1994 vor.

Für die Betriebe in Hamburg geht es auf diesem Wachstumspfad allerdings nur mühsam vorwärts. Im vergangenen Jahr steigerten die Betriebe ihren Umsatz, verglichen mit 1993, zwar um eineinhalb Prozent. Eine Preissteigerung von bis zwei Prozent bescherte dem Handwerk tatsächlich jedoch ein Minus, räumte Horchler ein. Eine ähnliche Entwicklung erwarte er auch für das laufende Jahr.

Denn der „verhaltene konjunkturelle Aufschwung“, den Horchler im Export-Bereich erkennen kann, wirke sich kaum auf das Handwerk aus. Allerdings gebe es allgemein eine positive Stimmung. „Und das ist ja die halbe Miete.“

Die andere Hälfte läßt indes auf sich warten. Eine positive Entwicklung könne es nur geben, wenn die Staatsquote unter 50 Prozent sinke. „Wie vor der Wiedervereinigung“, schwelgte Hauptgeschäftsführer Jürgen Hogeforster in Erinnerungen.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist in diesem Zusammenhang eine nicht gerade neue Forderung. Horchlers Sparvorschlag: „Versicherungsfremde Leistungen den Steuern zuschlagen.“ Es sei schließlich nicht einzusehen, daß Sprachkurse für Rußlanddeutsche oder die Krankenversicherung für zehn Kinder eines Arbeitnehmers aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitgeberabgaben finanziert würden.

Freundliche Worte fand der Präsident indes für die politischen Entscheidungsträger im Kammergebiet: „Unser Wirtschaftssenator hat sich intensiv um ein gutes Klima für Existenzgründungen bemüht.“ Es fehle allerdings an kostengünstigen Gewerbeflächen für junge Existenzgründer. Und die geplante Erhöhung der Gewerbesteuer sei schlichtweg kontraproduktiv. Dennoch hätten sich 1994 mehr Betriebe in Hamburg angesiedelt als abgewandert oder stillgelegt worden seien. Im ersten Halbjahr 1995 stehen 580 Stillegungen 700 neu angesiedelte Betriebe gegenüber. Und auf diese Differenz komme es letztlich an.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden das möglicherweise anders sehen. Denn die Zahl der Arbeitsplätze ist im Vorjahr um 1,1 Prozent gesunken. „Höchstqualifizierte Fachkräfte mit Praxiserfahrung werden aber immer gesucht“, beruhigte Horchler. Und einer „abnehmenden Ausbildungsbereitschaft in der gesamten Wirtschaft“ stellte Hogeforster freie Lehrstellen im Handwerk gegenüber – als Gebäudereiniger zum Beispiel.