Irgendwie kritisch

■ Eine völlig mißlungene Lyotard-Hommage läuft ab heute im Abaton

Oh je! Hatte der Betroffene die Möglichkeit, dieses Machwerk zu zensieren? Wußte das Hamburger Filmbüro, welche Peinlichkeit es hier unterstützte? Zur Ehrenrettung beider bleibt zu hoffen: nein. Denn was sich die Hamburgerin Janina Quint mit ihrer Pseudo-Dokumentation über Jean-Francois Lyotard und seinen Hamburg-Besuch vor zwei Jahren, Lyotard/Signature – A Love Story, geleistet hat, erweist sich als cineastisch-philosophische Geschmacksbelästigung.

Laut Presseinfo soll es Quint mit Signature gelungen sein, das Denken Lyotards humorvoll-ironisch umzusetzen. Leider nicht. Vielmehr durchzieht eine Kette von Postmoderne-Klischees und Vorhersehbarkeiten nervenstrapazierend die fast einstündige Einfallslosigkeit. Ein von Lyotard postuliertes, auf Differenz und Multiplizität zielendes Denken, das Kunst als Medium der Kritik und Destabilisierung sieht, mißversteht Quint, indem sie Gemeinplätze der postmodernen Philosophie bedient.

Wenig originell läßt sie ein Lyotard-Double – miserabel geschauspielert von Marc de Jonge, der Lyotard zum opahaft-übersympathischen, kauzig-genialistischen Philosophen-Klischee degradiert – in verschiedenen Verkleidungen auftreten, vor nackten Studenten eine verbale Körpersektion vorführen oder in einer fiktiven Talkshow der Moderatorin das Konzept zerfaseln. Lyotard tritt als verkünsteltes und – zum Glück für den echten Lyotard – durch und durch unglaubwürdiges Männchen auf, das die Texte des Philosophen zu nervendem Geblubbere transformiert.

Das permanente Dauergelabere soll wohl die Dezentrierung postmodernen Denkens verbildlichen. Doch die Repräsentation einer um Nicht-Repräsentierbarkeit kreisenden Philosophie in solch möchtegern-ironische Humorlosigkeit zeigt nur das Fehlen einer Kunstauffassung im Lyotardschen Sinne. Die „love story“ wird da endlich zur tragikomischen Geschichte des Scheiterns einer Hommage.

Nachdem noch einige „echte“ deutsche Philosophen ihren dünnen Senf zu Quints Lyotard-Verhunzung beitragen durften (Wolfgang Welsch: „Lyotard spricht mir aus dem Herzen“; Walter Reese-Schäfer: „Er hat eine schwere Lebenskrise durchgemacht“; Christine Pries: „Irgendwie ist er kritisch“), tritt der Meister schließlich selbst in Erscheinung – und kann damit sein zuvor ruiniertes Bild zumindest etwas zurechtrücken.

Denn glücklicherweise ist er ja gar nicht so unerträglich, wie Quint ihn uns vorgegaukelt hat. Für circa zehn Minuten sind Lyotards Eintreffen in Hamburg am 17. Juni 1994, ein Interview mit ihm sowie Teile seiner Lesung auf Kampnagel zu bezeugen. Profundere Einblicke in die philosophischen Gedankengebilde Lyotards ergeben sich leider auch hieraus kaum. Wichtiger scheint da zu sein, daß Frau Keller vom Literaturhaus bekanntgeben darf, daß sie sich „in seiner Nähe total entspannt fühlt“. C'est absurd, hätte Sartre befunden.

Christian Schuldt

8./9.Juli, 20 Uhr, 10. Juli, 17.45 Uhr, Abaton