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Kämpfer der „Wohnmaschine“

Gesichter der Großstadt: Otto Eigen, einstiger Mieterberater im Corbusier-Haus, blickt auf die vierzigjährige Geschichte des Hauses zurück  ■ Von Rolf Lautenschläger

Wenn Otto Eigen, langjähriger Mietersprecher im Corbusier- Haus an der Reichssportfeldstraße, über die „Wohnmaschine“ spricht, hat er Grund zur Klage. „Von den Vorstellungen des Architekten Le Corbusier ist heute nicht mehr viel übrig. Der Kinderspielplatz ist verwaist, von den Geschäften im Haus blieben nur ein Kiosk und der kleine Supermarkt, und seit Hausbesitzer Willi Bendzko die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen betreibt, hat sich die Bewohnerschaft polarisiert.“ Eigentlich schade, sinniert Eigen, denn die Idee der sozialen Hausgemeinschaft im Haus war „phantastisch.“ Auch persönlichen Anfeindungen war Eigen ausgesetzt, als er sich für die Umbenennung der Reichssportfeldstraße in Flatowallee engagierte. „Im Fahrstuhl wurde ich feucht angehustet. Anonyme Anrufer beschimpften mich, und das Autodach erhielt eine Delle.“

Obwohl er im Corbusier-Haus „auch noch am Ende“ ganz gern lebte, gaben die Vorfälle und das Drängen seiner Frau den Ausschlag, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen. Die Eigens haben sich in einem Häuschen am äußersten Ende von Kladow niedergelassen. Und wie zur Entschuldigung sagt er: „Daß ich mich hier draußen wohl fühle, heißt nicht, politisch unaktiv zu werden.“ Der 50 Jahre alte Eigen will sich weiter im Charlottenburger Mieterverein, in der SPD und der Flatow- Initiative engagieren. Und vom Corbusier-Haus kommt er nicht los. Er berät weiterhin eine Mieterin des Corbusier-Hauses.

Die Politisierung – „mein persönlicher Einstieg“ – des Mietersprechers ist eng mit der Geschichte des „Projekts Corbusier- Haus“ verknüpft. Der größte Berliner Sozialpalast mit 530 Wohnungen auf 33.333 Quadratmeter Fläche, für den 1956 – vor 40 Jahren – im Rahmen der „Interbau“ der Grundstein gelegt worden war, sollte etwas Besonderes sein: keine dunkle Mietskaserne mehr, sondern ein Haus im Grünen – nahe dem Olympiastadion – mit hellen Maisonettewohnungen, modernen, großzügigen Grundrissen, Spiel- und Einkaufsflächen, und das zu günstigen Mieten.

Für die erste Wohnung mit 66 Quadratmetern zahlte Eigen bei seinem Einzug 1968 ganze 240 Mark. Die Einstiegsmiete seiner 4-Zimmer-Wohnung 1975 lag bei rund 600 Mark. „Das Wohnen war in der Anfangszeit recht angenehm. Der Maisonettestil gefiel uns zwar nicht, aber weil meine Frau und ich zwei Kinder hatten, waren der Spielplatz und die Ladenstraße im Haus mit Bäckerei, Drogerie, Fleischerei, Post, Blumenladen, Boutique oder Artzpraxis sehr praktisch.“

Den „ersten größeren Adrenalinstoß“ fühlte Eigen bei sich „hochsteigen“, als der Immobilienhai Willi Bendzko 1979 den Wohnkoloß für 30 Millionen Mark kaufte und wenige Tage nach der Übernahme die Mieter mit der Ankündigung aufschreckte, die Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln zu wollen.

„Ich stand erst ganz ruhig – irgendwo in einer Ecke – auf der Mieterversammlung am 7. März 1979 da“, sagt Eigen heute cool. „Aber als Bendzko redete und ich hörte, wie anmaßend er mit den Gefühlen der Menschen umging, die Angst um ihr Zuhause hatten, ist mir der Krangen geplatzt.“ Vor 400 Mietern schrie Eigen Bendzko nieder und der ganze Saal mit ihm.

Die Fronten waren damit geklärt. Ab 1979 engagierte sich Eigen in der Mieterinitiative Corbusier-Haus e.V. gegen den Leerstand, das Umwandlungskonzept und die Entfremdung sowie Auflösung des sozialen Gefüges zwischen Mietern und Wohneigentümern im Haus. „Über hundert Infos haben wir rausgegeben: zur Sanierung und Modernisierung, gegen Mieterhöhungen, überzogene Nebenkosten oder Finanzierungsmodelle, mit denen Bendzkos Mitarbeiter vor allem alte Mieter weichklopfen wollten.“

Als Eigen 1981 Chef der Mieterinitiative wurde und sich gegen den vom Bezirk Charlottenburg genehmigten Leerstand von über 50 Wohnungen wandte, machte er eine weitere Front gegen die CDU auf. „Wir wurden dabei von vielen Mietern unterstützt, die Gemeinschaft stimmte noch“, betont Eigen. Aber der „Hut“, unter den er alle bringen wollte, war nicht groß genug. „Als in den achtziger Jahren doch immer mehr umgewandelt wurde – Bendzko hatte mittlerweile die Sozialbindung abgelöst und damit ein Druckmittel mehr zur Kündigung in der Hand –, ging die Luft langsam raus.“ Mitstreiter waren ausgezogen, Freunde ebenfalls, und der „Gruppenegoismus“ ging selbst auf Mieterfeten „echt daneben“. Desillusion klingt da in Eigens Sprache mit. Die Mieterinitiative löste sich 1985 auf. Doch Eigen als „Einzelkämpfer“ ließ gegen Bendzko nicht locker.

Natürlich hat Eigen – im Gegensatz zu seiner Frau – „nie daran gedacht“ zu kaufen. „Da hätte ich ja denen den Rücken gestärkt, die Wohnungen verkaufen, daran Geld verdienen und keinen zusätzlichen Meter Wohnraum schaffen.“ Den Verfall der sozialen Idee Le Corbusiers und den baulichen Verfall des großen schönen Hauses ebenso wie die Auflösung seiner Gemeinschaft wollte er sich dennoch nicht weiter antun. Aber Miete zahlt er auch in Kladow.

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