: „Der 22. April war ein ganz normaler Tag“
■ General Lino Oviedo im Gefängnis über den „Putsch“ und den korrupten Präsidenten
Zum ersten Mal in der Geschichte Paraguays sitzt einer der ranghöchsten Militärs im Gefängnis. Als einziger Häftling hält sich der ehemalige Armeechef General Lino Cesar Oviedo seit dem 14. Juni gezwungenermaßen in der Militärhaftanstalt „Dirección Nacional de la Justicia Militar“, 16 Kilometer von der Hauptstadt Asunción entfernt, auf. Während vor dem Gebäude Hunderte von Sympathisanten für die Freilassung des Generals demonstrieren, verständigt Oviedo sich drinnen per Handy mit der Außenwelt. Der taz-Korrespondentin gelang es, sich als „deutsche Freundin“ des Generals in das Gefängnis einzuschleusen.
taz: Warum wollte Präsident Wasmosy Sie in den Ruhestand versetzen?
Oviedo: Er hat Angst, daß ich zuviel weiß. Ich habe viele Beweise für seine Bestechlichkeit. Als ich Wasmosy auf die Korruptionsaffären hinwies, hat er mir versichert, daß er die Angelegenheit ins reine bringen würde. Ich habe gewartet und gewartet, aber es ist nichts passiert. Außerdem ist er unfähig, sein Amt auszuüben. Er hat die politische Führungskrise in eine Militärkrise verwandelt. Er wollte mich aus dem Weg schaffen, weil ich beim Volk beliebt bin.
Was hat sich nun am 22. April wirklich zugetragen?
Ich habe zwei Stunden persönlich mit dem Präsidenten im Regierungspalast gesprochen. Er hat mir mündlich meine Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt. Ich habe keinen Widerstand geleistet, sondern ihn darauf hingewiesen, daß ich seinem Befehl lediglich nach Erhalt des offiziellen, schriftlichen Dekrets Folge leisten werde. Außerdem hat Wasmosy mir erklärt, daß er den Kongreß auflösen wollte, weil er dort über keine stabile Mehrheit verfügte. Er war es leid, die Abgeordneten zu kaufen. „Sie sind mir zu teuer“, hat er mir gesagt. Dann bin ich nach Hause gegangen.
Die Presse berichtete damals, daß Sie sich in die Kaserne zurückgezogen und Ihre Truppen in Alarmbereitschaft versetzt haben. Ist der Putsch etwa eine Erfindung?!
Meine Wohnung befindet sich auf dem Gelände der Kavallerie. Ich pflege dort die Abende mit meiner Familie zu verbringen. Der 22. April war ein ganz normaler Tag. In der Schule in der Kaserne sind die Kinder wie üblich zum Unterricht gegangen. Alle Kinder und Lehrer sind meine Zeugen. Die erste offizielle Erklärung über den angeblichen Putsch am Montag nachmittag stammte nicht von der Regierung, sondern von der US- amerikanischen Botschaft.
Der damalige Verteidigungsminister ließ dann um 18.30 Uhr erklären, daß die Situation normal sei und keine Putschgefahr bestehe. Befragen Sie ruhig die Soldaten, die mich hier bewachen, ob ich ihnen den Befehl zur Rebellion erteilt habe!
Ist die Demokratie als Regierungsform für Paraguay überhaupt geeignet?
Ich bin ein hundertprozentiger Verfechter der Demokratie! Schließlich war ich es, der Stroessner 1989 mit einer Granate aus dem Regierungspalast gejagt hat. Die Gefahr in Paraguay ist die Korruption. Obwohl 35 Prozent der Einwohner Paraguays Analphabeten sind, wissen sie, daß diese Regierung korrupt ist. Noch ein paar Monate, dann kommt es zu heftigen Protesten und vielleicht zur Revolution. Die Regierung ist für die ewigen Putschgerüchte selbst verantwortlich. Mit dieser Putschmystik sollen die Leute unterhalten und von ihrem Hunger abgelenkt werden. Interview: Astrid Prange
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