: Sterbebegleitung, blauäugig?
■ Die Mär und die Wirklichkeit eines Hospiz-Hauses in Bremen, das erstmal scheiterte
„Wir waren zu blauäugig; wir haben uns verkalkuliert; wir hätten gar nicht anfangen dürfen; gut, daß es so schnell zu Ende war.“ – Otto Döhner, Vereinsvorstand von „Pro Senectute“ blickt nüchtern zurück auf das Ende des Hospiz-Hauses in Bremen. Pro Senectute und die Bremer Heimstiftung hatten das Projekt forciert, 50.000 Mark in eine gemeinnützige GmbH gesteckt. Die Bremer Heimstiftung stundete im neugebauten Haus im Stiftungsdorf Ellener Dorfstraße zwei Monate lang die Miete. Nur drei Personen zogen ein. Und dann war auch schon Schluß. Noch im Eröffnungstaumel ging das Bremer Hospiz-Haus bereits wieder in Konkurs. „Wir waren zu früh dran“, sagt Otto Döhner und drängt auf einen Neuanfang. „Ob dieser von uns ausgehen soll, ist die Frage, weil wir ja gescheitert sind.“
Es ist etwas still geworden nach der ersten Euphorie um das neue Hospiz-Haus in Bremen. Zehn Appartments stehen seit Mitte Juli diesen Jahres leer – bald sollen dort behinderte Menschen einziehen. Neuer Träger ist dann der Paritätische Wohlfahrtsverband. „Das ist uns recht, wir haben ja von vornherein so gebaut, daß verschiedene Nutzungen möglich sind.“ Kein Beinbruch also, findet Alexander Künzel, Vorstand der Hauseigentümerin „Bremer Heimstiftung“. 12.000 Mark Verlust hat die Stiftung zu verbuchen, „das ist schade, wir können aber keine Defizite auffangen.“
Defizitäre Planung, ist das „nur“ Bremer Blauäugigkeit oder ein typisches Hospiz-Problem? „Letzteres“, konstatiert Rudolf Stienemeier, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Hospiz mit derzeitigem Sitz in Halle/ Saale. Gestern war der Vorsitzende der BAG, Heinrich Pera, bei Rita Süßmuth vorstellig, um das Thema Hospiz-Bewegung in Deutschland auch im Bundestag in Gang zu halten. Es geht um mehr Unterstützung durch die Krankenkassen, da die hohen Tagessätze in den Hos-pizhäusern von meist über 300 Mark vielen zu teuer sind. Stienemeier: „Wir wollen aber keineswegs die Erfolge, die wir in der ambulanten Hospizhilfe und in der Ehrenamtlichkeit haben, nun durch die Politik platt machen lassenDavor haben wir Angst.“
In Bremen haben sich die Leute vergaloppiert, weiß der BAG-Geschäftsführer in Sachsen-Anhalt. Das weiß inzwischen auch Bremens Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hoppensack, der sich sehr für ein hiesiges Hospiz-Haus einsetzte und dies auch heute noch tut: „Ich bin davon überzeugt, daß das Hospiz-Haus im Vergleich zum Krankenhaus-Aufenthalt die humanere und würdigere Variante ist. Eine Wahlmöglichkeit, die einer Großstadt wie Bremen gut zu Gesicht stünde.“ Das sei aber nur die Kopfgeburt – was die Menschen wirklich wollten, seitatsächlich erst noch herauszufinden. Hoppensack möchte auf jeden Fall „am Ball bleiben“. Von Bremen sei jedoch keinerlei finanzielle Unterstützung zu erwarten.
Von den in sieben Jahren knapp 6.000 ambulant begleiteten Menschen wären drei für ein stationäres Hospiz in Frage gekommen, rechnet Dieter Tunkel von der Bremer Hospiz-Hilfe e.V. vor. Deswegen hätte sich die Hospiz-Hilfe erst gar nicht ein Haus in den Kopf gesetzt. Tunkel setzt mittelfristig eher auf realistischere Ziele: Die Ehrenamtlichen in der Hospiz-Hilfe sollen weiterqualifiziert und per Vertrag auch in Krankenhäuser geschickt werden, Supervision ist nötig. Langfristig plädiert jedoch auch Tunkel für ein extra Haus, „denn ein Hospiz-Platz ist allemal kostengünstiger als ein Krankenhausplatz“.
Noch ein Bremer Hospiz-Wunsch soll nicht verschwiegen werden: Die Aids-Hilfe propagiert nach Hamburger und Berliner Vorbild ein Haus für Aids- und junge Schwerstkranke. Silvia Plahl
Infos zum Thema Hospiz gibt es bei der „Bremer Hospiz-Hilfe“ in der Beratungsstelle Am Domshof, % 32 40 00 oder bei „Pro Senectute – Gesellschaft für würdiges Leben und Sterben im Alter“, % 59 12 00
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