Mutterlos feminin im Postpatriarchat

■ Gabriele Dietze stellt ihre Studie über harte Frauen im amerikanischen Kriminalroman vor

Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Mickey Spillane sind die klassischen Autoren des „Hardboiled“-Krimis, in denen stets ein einsamer, aber hartgesottener Typ Konflikte im Alleingang meistert. Erst Mitte der 80er Jahre tauchen amerikanische Autorinnen wie Linda Barnes oder Sara Paretsky auf, die dies ursprünglich männliche Genre nutzen, um fiktive Spielräume der Emanzipation auszukundschaften. Ihre Privatdetekti-vinnen wachsen mutterlos auf und schaffen sich eine postpatriarchale Wahlfamilie. Hart, aber herzlich wollen sie noch in gewalttätigen und korrupten Milieus ihre Weiblichkeit bewahren.

Gabriele Dietze, Berliner Autorin und Herausgeberin der Rotbuch-Krimireihe, hangelt sich in ihrem pointiert dargelegten Rundumschlag Hardboiled Woman. Geschlechterkrieg im amerikanischen Kriminalroman chronologisch an der Geschichte des Genres entlang. Für Einschnitte sorgt meist ein Autor, immer aber eine Krise maskuliner Selbstbestätigungsrituale. Erfreulicherweise verliert sich die scharfsinnige Autorin nie in zusammenhanglose Einzelbetrachtungen. Jederzeit hält sie den Leser über die komplexen Verschiebungen im eng gefaßten Hardboiled-Code auf dem laufenden.

In den späten 30ern macht die Golddigger-Frau den Detektiven in Dashiell Hammetts Romanen zu schaffen. Sie ist hinter Diamanten und Juwelen her und benutzt den Detektiv als Mittel zum Zweck. Dieser entdeckt ihr Laster und darf den verlogenen, aber moralisch hochdotierten Sittenwächter spielen. Bei Raymond Chandler ist es dann die Femme fatale, eine reiche Lady mit schmutzigem Geheimnis, die die Dämonisierung des Weiblichen weitertreibt. In Mickey Spillanes Krimis dominiert schließlich das Pin-up Girl, das die GI-Kultur über Soldatenspinde und Playboy-Fotos zu Gesicht bekam. Entscheidend für die Heldenkonstruktion der nachfolgenden Autorengeneration, die in Vietnam war, wird das Thema Vergewaltigung. Vielfach geistern verängstigte Asiatinnen durch die Krimis; das Gegenbild der männermordenden Kamikaze-Amazonen-Emanze kündigt sich bereits an.

Für die postmoderne Hardboiled-Version zieht Gabriele Dietze etwas einseitig die Trash-Jeremiaden von Andrew Vachss heran. Hier verortet sie die Wandlung vom Phantasma zum offenen Geschlechterkrieg: Vachss' Serienfigur, der brutale Mietkiller Burke, kompensiert den symbolischen Verlust der Jungfrau mit einem besessen geführten Ein-Mann-Kreuzzug gegen Kinderschänder und sexhungrige Frauen. Der Hardboiled-Krimi zielte von Beginn an auf eine rein maskuline Identität ab, bei der die Sexualität Quelle der Zerstörung ist. Daher ist es nicht verwunderlich, so die Autorin, daß in neuesten, von Frauen verfaßten Hardboiled-Krimis die Unschuld Konjunktur hat. Stefan Pröhl

Gabriele Dietze: „Hardboiled Woman. Geschlechterkrieg im amerikanischen Kriminalroman“, Europäische Verlagsanstalt 1997, 389 Seiten, 48 Mark.

Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38