Kleinkunst auf der Kneipenmeile

■ Das Fischereihafen-Theater im Jahr nach Koettlitz: Chansons im Sparpaket

„Man kann auch an Schönheit sterben“, sagt Dorothee Starke, die neue Geschäftsführerin des Bremerhavener Theaters im Fischereihafen (TiF). Sie denkt an die schönen und viel zu teuren Projekte, die 1996 – im ersten Betriebsjahr des kleinen Theaters – die Kasse überlastet hätten. Nicht zuletzt deshalb wurde Peter Koettlitz, der engagierte Bremerhavener Jugendtheater-Macher, in einer Blitzaktion im März als künstlerischer Leiter des Unternehmens entlassen. Wie das „neue künstlerische Konzept“in der Nachfolge Koettlitz' aussieht, verrieten Dorothee Starke und Kulturdezernent Wolfgang Weiß in dieser Woche.

Es wird abgespeckt. Vor allem Gastspiele teurer Tanztheaterensembles wurden gestrichen. Der Programmschwerpunkt soll künftig bei der „großen Kunst der Kleinkunst“liegen – bei Chanson-Abenden oder Lesungen mit Musik. „Bekannte Namen“wie Otto Sander, Gerd Wameling oder Jo van Nelsen sollen das Publikum dazu verführen, auch auf die weniger bekannten neugierig zu werden. Damit das TiF kein reiner Gastspielbetrieb wird, wollen Starke und Weiß Bremer Gruppen der freien Szene einladen, ihre Endproben und Uraufführungen nach Bremerhaven zu verlegen. Der Anfang ist schon gemacht. Die Bremer Tänzerin und Choreographin Gitta Barthel will das neue Stück ihrer Compagnie „Les Passageurs“mit dem Titel „Bal Musette“in der Seestadt uraufführen.

Großgeschrieben wird künftig auch die Zusammenarbeit mit Schultheatergruppen. Weiß träumt von schulübergreifenden Projekten. Weniger nebulös, sondern „fest geplant“ist die Kooperation mit dem Stadttheater. Ohne den ungeliebten Peter Koettlitz kann sich Intendant Peter Grisebach vorstellen, eine Produktion jährlich im TiF anzusiedeln. „Konkrete Stücke, konkrete Überlegungen“, sagt Weiß dazu, gäbe es noch nicht. Aber dem Bremerhavener Getuschel zufolge, könnte Yasmina Rezas Komödie „Kunst“in Frage kommen.

Fazit: Die TiF-Planer werden realistisch. „Wir haben ein Jahr über unsere Verhältnisse gelebt“, sagt Dorothee Starke. Eineinhalb Stellen sind inzwischen gestrichen. Das Geld ist knapp: 1997 und 1998 wird jeweils mit einem Gesamtetat von 500.000 Mark gerechnet. 200.000 Mark jährlich zahlt die Stadt, 170.000 Mark Einnahmen müssen erzielt werden, den Rest gibt die Fischereihafen Betriebs- und Entwicklungsgesellschaft (FBEG) hinzu. Mit den Besucherzahlen sind Weiß und Starke zufrieden: 7.500 Gäste im ersten Jahr – die Auslastung : 66 Prozent.

Ob das TiF das nächste Jahr überleben wird, ist ungewiß. Im Unterschied zu Großprojekten, die in einer Nacht „einen Haufen Geld verbrauchen“, stehe das TiF für Kontinuität. Das Geld sei hier gut angelegt, weil die TheaterbesucherInnen inzwischen auch die Kneipenmeile drumherum mit Leben füllten. hh