: Absteigen in der Legende
Am Sonntag eröffnet das Hotel Adlon an alter Stätte am Pariser Platz. Alles ist edel und sauteuer, aber bis zum Oktober gelten Schnupperpreise ■ Von Rolf Lautenschläger
Wer einen Mythos baut, trägt die Pracht vergangener Zeiten wie eine Mission vor sich her. Das Hotel Adlon an der prominenten Adresse Pariser Platz/Unter den Linden, bildet eine derartige Mission. Während draußen noch am neuen Berlin herumgebaggert wird, öffnet sich hinter der historisierenden Fassade ein auf Nostalgie getrimmtes Foyer. Wie zu Kaisers Zeiten schwingt sich in der riesigen Hotellobby eine elegante Freitreppe zur Empore hoch. Mamorne Säulen, eine gläserne Jugendstilkuppel, schmiedeeiserne Geländer und holzgetäfelte Wände suggerieren alten Glanz.
Das neue Adlon ist zwar kein Abbild des alten, aber doch eine enge Nachempfindung des Originals. „Eine Legende lebt wieder auf“, charakterisiert Sabine van Ommen, PR-Chefin des Hauses, das Fünf-Sterne-Deluxe-Grandhotel. Man habe beim Neubau zwar bewußt an die „großen Traditionen“ des früheren Luxushotels angeknüpft. „Aber Luxus von damals und Luxus von heute“, so Ommen, unterschieden sich doch.
Das ist augenscheinlich. Wer sich die Nacht für 420 Mark und mehr pro Person leisten will, findet in den 337 Zimmern, Suiten und Residenzen viel Neumodisches. Die Räume der Belle-Etage sind niedrig gehalten. Zeitgenössisches Kirsch- und Teakholz wechseln sich ab. Die Bäder wurden in schwarzen Granit und Marmor getaucht. Die Einrichtungen beinhalten kleine High-Tech-Stationen mit Faxgerät, Mobiltelefon, PC- Anschlüssen und interaktivem CDI-Player.
Im Unterschied zu heute glänzte das alte Hotel Adlon feudaler. Als Lorenz Adlon 1907 am Pariser Platz sein nach ihm benanntes Hotel eröffnete, setzte die Luxusherberge im Kaiserreich neue Maßstäbe. Der Kaufmann, der um die Jahrhundertwende mit einem Wein- und Freßlokal reich geworden war, kaufte 1904 per Blitzaktion für zwei Millionen Goldmark das Grundstück am Pariser Platz – auf dem damals noch ein Schinkelsches Palais stand.
Mit einer Audienz bei Wilhelm II., der die prosperierende Hauptstadt von dem alten „Schandfleck“ am Brandenburger Tor sowieso befreien wollte, konnte Adlon den denkmalgeschützten Altbau aus der Welt schaffen. Dem Bau des ersten Grandhotels in Berlin stand nichts mehr im Wege.
Die Eröffnung des 20 Millionen Goldmark teuren Kastens geriet zur gesellschaftlichen Sensation. Der Kaiser höchstpersönlich besichtigte als erster Gast „das Adlon“, schnupperte im Foyer an seiner Bronzebüste und steckte wie ein Gourmet die Nase in die Suppentöpfe der Küche. „Donnerwetter“, so sein Kommentar.
Der Luxus, mit dem sich das 200-Zimmer-Hotel ausstellte, geriet im Zeitalter der Mietskasernen fast zur Obszönität. Hinter einer überladenen sechsgeschossigen Fassade taten sich opulent ausgestattete Ballsäle auf. Die Aufenthaltsräume zierten Mamorfußböden, die Restaurants ließ Adlon mit Mahagoniholz aus der Karibik verkleiden, Kapitelle und Treppengeländer glänzten in Edelmetall, die Decken und Wände veredelten Künstler mit Gemälden.
Zu einer Zeit, in der die meisten Wohnungen der Stadt weder mit elektrischem Licht noch einem Bad ausgestattet waren, sprudelte im Adlon heißes Wasser aus dem Hahn, die hauseigene Kraftanlage versorgte die Zimmer mit Strom, der Service konnte per Lichtsignal bestellt werden.
In Adlons Festsälen tanzte nicht der Bär, sondern bis zum Ende des Ersten Weltkriegs allein die High- Society. Der Aufsteiger Lorenz Adlon hielt etwas auf Etikette. Wer Berlin als König, Fürst oder Staatsmann besuchte, stieg im Adlon ab. Mußte man bei der Eröffnung des teuren Schuppens 1907 noch einen Megapreis von bis zu 50 Goldmark pro Nacht zahlen, wurden Übernachtungen in der Weimarer Zeit billiger – die Gäste ebenfalls. Während Mark Twain, Thomas Mann, Albert Einstein oder Mary Pickford dem Haus zwar weiter Flair verliehen, machten es andere zum Ort der Skandälchen, Affairen oder schlechten Geschichten.
Hedda Adlon, die zweite Frau des Hoteldirektors, packte in ihrem Buch „Hotel Adlon“ ein wenig darüber aus: Man erfährt mittelschwere Bettgeschichten in den Suiten mit Pola Negri, Rudolph Valentino oder der Dietrich sowie Histörchen über Saufgelage mit Emil Jannings, Gottfried Benn und Erich von Strohheim.
Das Haus an der Straße Unter den Linden, das Thomas Mann als äußerst nobel „mit guter Aussicht“ beschrieb, blieb bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fast unbeschädigt. Das Geschäft boomte zwar nicht mehr, aber es blieb „die erste Adresse“ in der Stadt. Seine letzten Gäste waren Rotarmisten, die 1945 im Siegestaumel im Weinkeller versackten. Eine brennende Zigarette beendete die Geschichte des Adlon. Nach dem Saufgelage ging das Hotel in Flammen auf. Die Ruine im Bereich des späteren Todesstreifens wurde von der DDR gesprengt.
Auf die bessere Gesellschaft, Kongresse, politische Dinerparties à la „Herzog-Rede“ und rauschende Bälle hofft Jean van Daalen, Direktor des neuen Hotels, das von der Kempinski-Gruppe gepachtet wurde. Ungeachtet der schwierigen wirtschaftlichen Situation anderer Luxus-Bettenburgen in der Stadt – das Grand-Hotel in der Friedrichstraße hat es schwer, das neue Four Seasons hat gerade seinen Pächter gewechselt – setzt er mit dem Fünf-Sterne-Deluxe- Hotel auf Exklusivität. Sicher sei zwar, daß „das Haus in den ersten beiden Jahren nicht in die positiven Zahlen geführt werden kann“. Doch ein „Vorzeigehotel erster Güte“ werde sich langfristig durchsetzen, so Daalen.
Mit den teuren Übernachtungspreisen sollen Gäste angelockt werden, denen das Geld locker in der Tasche sitzt und die es sich leisten können, den Blick auf das Brandenburger Tor und die Botschaften der USA und Frankreichs zu bezahlen. „Home away from home“, so der Slogan, meint damit auch einen teuren Zweitwohnsitz – in der Tradition der Jahrhundertwende, als fürstliche Familien sich ganze Monate im Adlon einquartierten. Das Hotel biete neben den normalen Suiten in den 337 Zimmern „auch 40 Residenz-Zimmer mit Wohn- und Arbeitsbereich für Gäste, die über einen längeren Zeitraum im Adlon wohnen“. Außerdem ist das Haus ausgestattet mit zwei Präsidentensuiten „für Politiker und andere schutzbedürftige Personen“. Die müssen zwar für die Nacht im Adlon um einiges tiefer in die Schatulle greifen. Dafür können sie sich auf rund 200 Quadratmetern absolut sicher fühlen. Denn die Räume sind mit schußsicherem Fensterglas, dicken Wänden und Videoüberwachung ausgestattet. Und für den Gorilla gibt es die Bodyguard-Bude nebenan gratis. Die wohnen auf Kosten der Steuerzahler.
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