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Wandlung wallender Waldwichtel

■ Die Hamburger Künstlerin Maya Mos als Gastgeberin für unheimliche Begegnungen

Wer für die Kunst des Spazierganges genauso viel übrig hat wie für humorvoll-esoterische Verwandlungen und schrille Performances, ist im Kaifu-Art Center an der richtigen Adresse. Unter dem Motto „Wandelungen“zeigt dort die 1966 in Hamburg geborene Künstlerin Maya Mos 27 experimentell-fotografische Arbeiten, einen leeren Rahmen und ein Performance-Programm für „Wanderer durch die Welten“. Der leere Rahmen deutet an, worum es der fotografierenden Performerin geht: „Das Moment des Unfertigen als ein Imaginationsrahmen für neue Erfahrungen.“

19 der in Rot, Violett und Grün konplementär gesetzten Arbeiten im Umkehrverfahren zeigen Schattenwesen im heimelig-unheimlichen Wald. Der Wald, auch ein deutscher Mythos, ist der sogenannte Bunckerwald Altengamme, in dem die nach dem II. Weltkrieg gesprengten Gemäuerteile der Dynamit-Fabrik Nobel von der Natur überwuchert und vereinnahmt werden. An diesen geschichtsträchtigen Ort führt die Künstlerin mit ihrem Kollegen Ralf Jurszo regelmäßig Freunde und Bekannte, um sie den Sonderbarkeiten einer von der Natur besiegten Kultur auszuliefern. Außersinnliches und -irdisches möge sich dabei ereignen: Waldwichtel, fremde Wesen und Außerirdische könnten sich in dieser unheimlichen Zwischenwelt bewegen. Indem sich die Spaziergänger und Flaneure in diesen Zwischenraum begeben, werden sie in den Prozeß von Wanderung und Verwandlung integriert. Den „Wandelungen“durch den Wald entspricht die fotografische Umkehrtechnik in der Ausstellung. Pflanze, Geschichte und Mensch bilden ein bizarres Amalgam der dritten Art. Wie bewegen sich Wesen aus den Zwischenreichen? Diesem Thema sind die Performance-Aktionen gewidmet. Was für uns normale Bewegung in Zeit und Raum ist, muß neu erfahren werden. Von der Zeitlupe zur rasenden Geschwindigkeit führt der Weg zur Sprengung der ökonomischen Gegenwartszeit, die alles und jeden gleichschaltet. Durch diese künstlerische Provokation neuer Vorstellungsebenen wird Wahrnehmung erwandert und gewandelt. Ein Neuner-Block fotografisch vergrößerter Weinflaschenhals-Folien wird plötzlich zur Krater- und Mondlandschaft oder zum Innenleben einer roten Rose. Wer „Wirklichkeitsumwundene Wichtelwahrnehmungen wallen“sehen, hören und erfahren möchte, sollte sich die Performance-Abende nicht entgehen lassen. Gunnar F. Gerlach

Ausstellung: 27. bis 29. Juni und 4. bis 6. Juli, Bundesstr. 1O7, 16-20 Uhr

Performance: Morgen, ab 19 Uhr, u.a. mit Yung Ya Bang Cho, Iphigenie Naxos

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