: Trnopolje liegt in Bosnien
■ betr.: „Krieg der Bilder um die Pressefreiheit“, „Schnelle Analo gien führen zu nichts“, taz vom 21. 8. 97
Wieviel Ignoranz ist eigentlich noch möglich, wenn es um Bosnien geht? Da interviewt eine ahnungslose Journalistin (Barbara Junge) einen ahnungslosen Professor (Wolf-Dieter Narr), und das nennt sich Information. Beide sprechen von einem Internierungslager Trnopolje in Serbien. Ich weiß nicht, ob es in Serbien Lager gab, Trnopolje jedoch liegt eindeutig in Bosnien. Es handelt sich auch nicht um „exjugoslawische Männer“, die auf einem Foto bis auf die Knochen abgemagert am Stacheldraht stehen, sondern um überwiegend muslimische Männer. Die Opfer haben nicht einmal das Recht, benannt zu werden.
Herr Professor Narr kennt also weder die Örtlichkeit noch die Herkunft der Internierten, ganz genau weiß er aber, daß es sich um ein gestelltes Bild handelt, das im August 1992 um die Welt ging. Es habe, so die derzeit von einem ehrgeizigen Journalisten losgetretene revisionistische Diskussion, eine „einseitige Stimmung“ bewirkt. Weil daraufhin der Druck der Öffentlichkeit erreichte, daß die schlimmsten Folterlager geschlossen wurden, konnte eine nicht zu beziffernde Zahl an Menschen gerettet werden. Aber was soll's, dem Herrn Professor geht es um die Freiheit einer bestimmten Presse, die Opfer zu verhöhnen. Wäre die taz, die sonst immer hervorragend über Bosnien berichtet, es diesen nicht schuldig gewesen, zu dem ignoranten Herrn Professor eine weniger unwissende Journalistin zu schicken?
Und noch eins weiß Professor Narr ganz genau: „Die schnellen Vergleiche mit Auschwitz führen zu gar nichts.“ Die JournalistInnen der britischen Fernsehanstalt ITN, die den Film über Trnopolje drehten, haben diesen Vergleich niemals hergestellt. Sie hatten es nicht nötig, denn das, was ihre Kamera zeigte, war schlimm genug. Herr Professor jedoch läßt trotzdem über unser aller Auschwitz nichts kommen. Es dient als deutsche Spitzenleistung dazu, alle anderen Verbrechen auf der Welt zu relativieren – wenn es den linken Herrschaften grade in ihr mir nicht weiter verständliches Konzept paßt.
Ich habe während des Bosnien- Krieges aus der Haltung der Linksintellektuellen in diesem Land eines gelernt: Sie hätten sich, ohne mit der Wimper zu zucken, über ein paar hunderttausend oder auch mehr jüdische „Verluste“ hinweggesetzt, wenn es die Ideologie von ihnen abverlangt hätte. Erica Fischer, Berlin
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