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■ „Konkret“ wird 40, und H. L. Gremliza lobt sich selbstComandante Redundante

Schwarze Galle, schwarze Galle / O wie hasse ich euch alle! So sitzt Hermann L. Gremliza seit 1974 als Herausgeber in der Redaktion der neuen Konkret und bricht von Hamburg aus schier unermüdlich den Stab über Deutschland. Das ist gut und verdienstvoll; für seine Kritik an Volk und Nation könnte man ihn bisweilen Hermann L. Grandezza nennen und ihm sogar die Fehler, die er reichlich hat und begeht, großzügig nachsehen oder schweren Herzens verzeihen.

Bedauerlicherweise aber steht dem eines entgegen, das ganz intolerabel ist an Gremliza: daß er, anläßlich der in politischer wie ästhetischer Beziehung abstoßenden Wiedervereinigung der Deutschen öffentlich aus der SPD ausgetreten, für seine erklärte Gegnerschaft zum deutschen Regime gelobt und anerkannt werden möchte – und sei es von seinen Angestellten und Skribenten. Seit 1989, also seitdem die Kritiker Deutschlands sich sortieren in die Masse der anschlußbereiten und -willigen Simulationisten und in die paar Handvoll, die es mit ihrer Kritik ernst meinen, ist das Ausbleiben von öffentlicher Schulterklopferei für einen radikalen Kritiker der herrschenden Verhältnisse, wie Gremliza ja einer sein will, kein schlechtes Zeichen. Gremliza aber kann offensichtlich nichts schlechter verknusen als den Mangel an Huldigung; wenn's kein anderer mehr tut, verleiht er sich eben selbst die höheren Weihen als der letzte der Mohikaner.

Was Gremliza über die unfähigen, korrupten und kopfmäßig erledigten Gestalten schreibt, die als Journaille das Land mit sich vollmachen, ist zu ca. 97,3 Prozent zutreffend. Es ist nützlich und angenehm, wenn jemand regelmäßig den Müll runterträgt – danke für den Service. Vor der eigenen Tonne aber wird des Hausmeisters Blick trübe: Fortwährend preist Gremliza sich und seinen Laden als die eine große Ausnahme im Lande. Das Eigenlob ist nicht nur peinlich, sondern auch Quatsch: Wie überall sonst übertraf und übertrifft auch in Konkret die Anzahl der dummen Texte die der etwas klügeren oder klugen.

Wie hat man sich geärgert als gelegentlicher Konkret-Autor über Gratisgesinnung, über moralisches Gekäse, über die Leier von „Ich hab's schon immer gewußt“, über die Jagd auf Linienabweichler oder auf tatsächliche oder vermeintliche „rechte Leute von links“, die Gremliza im August 1996 von einer studentischen Hilfskraft auf einer gleichnamigen Liste zusammenfassen ließ. Wiederholung schwächt bzw. der ärmste Hund im ganzen Land / ist dann doch der Redundant: Das starrsinnige Wiederholen immergleicher Attacken zermürbt die immergleichen Feinde eben nicht, sondern immunisiert sie im Gegenteil gegen die einfallslos immergleiche Kritik.

Wenn bei Gremliza und seiner Konkret-Mannschaft die Lichter ganz ausgehen, erfolgt vollautomatisch der Rückgriff auf die Null- und Notvokabel „Gesindel“. Nirgends – außer vielleicht noch in Jürgen Elsässers Links-Image- Vereinsblatt Jungle World – habe ich dieses Wort so oft gelesen wie in Konkret: „Gesindel“ ist eine Allzweck-Ächtung, die Nazis gegen Linke, Ausländer, Schwule und Juden genauso aussprechen wie Linke gegen Nazis, wie jeder gegen jeden.

Auch der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Rüdiger Landowsky fand, mit Blick auf Einwanderer aus Osteuropa, Gefallen daran und sprach im Sommer 1997: „Es ist nun einmal so, daß dort, wo Müll ist, Ratten sind, und dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist. Das muß in der Stadt beseitigt werden.“ Bzw. ist es eben so, daß jeder das Wort „Gesindel“ ganz beliebig so verwenden kann, wie es ihm gerade paßt. Dennoch ist es nicht völlig nichtssagend: Es verrät einiges über die notorischen Reflexe dessen, der es andauernd benutzt.

Was haben nicht alles für Pfeifen in Konkret geschrieben und schreiben dort, immer vorausgesetzt, sie sind mit dem Kammerton Konkret – Es spricht der Vertreter der Anklage, und er spricht schneidend! – vertraut und die Richtung stimmt. Deshalb ist sein Magazin, sieht man von seinem wirklich ragenden Kolumnisten Tomayer einmal ab, eben auch nur ein Käsblatt unter all den anderen Käsblättern im Land – von denen sich Konkret allerdings durch penetrantes Selbstlob noch unangenehm unterscheidet. Was um so betrüblicher ist, weil Gremlizas Kritik, wo sie politisch analysierender oder sprachästhetischer Natur ist, oft stimmt. Sein diesbezügliches Urteil über die Grünen und ihre Journalisten z. B. teile ich, und die taz einmal – oder auch ein paarmal – „Kinder-FAZ“ zu nennen ist lustig; indem aber Gremliza die hübsche Formulierung zur Dutzendware machte, verdarb er sie.

Seine treffendste Kritik noch kriegt Gremliza in die Dutten, indem er sie, aus Gewohnheit oder marode geworden von der Enttäuschung über so viele ehemalige Weggefährten, chronisch mit moralischen Kategorien vermengt und so ihren Erkenntniswert gegen Null herabmindert. Sei's aus Hybris, sei's aus Betriebsblindheit, aus Trotz oder weil er's mittlerweile schon selbst glaubt: In einer Welt voller Verräter und Opportunisten, will Gremliza eben dieser Welt verklickern, bleibe allein Konkret bestehen als publizistischer Felsen von Gibraltar, und so lautet sein Fazit beim Betrachten der deutschen Presse auch in der Konkret-Augabe vom August 1997: „Bleibt KONKRET.“

Wobei auch diese Wiederholung noch die Wiederholung einer Wiederholung ist: Gremlizas Leidartikel erscheint auch als eine Art Grußwort in „Vorwärts! Nieder! Hoch! Nie wieder! 40 Jahre KONKRET. Eine linke Geschichte 1957–1997. Herausgegeben von“ – Na? Von wem? Genau: – „Hermann L. Gremliza“. Der allerdings mit „40 Jahren Konkret“ nur bedingt zu schaffen hat: Mit der Begründung, „weil man bei Ihrem Text das Gefühl nicht los wird, als stellten Sie sich mit erhobenem Zeigefinger vor den Leser. Dies aber mag der garantiert ebenso wenig wie wir selber. Nichts für ungut“, lehnte Ulrike Meinhof im Juni 1963 für die Konkret-Redaktion einen vom damals noch in Tübingen lebenden Gremliza angebotenen Text ausgerechnet zum Thema „Moralische Aufrüstung“ ab. Meinhofs Urteil über Gremliza hat seine Gültigkeit nicht verloren.

Wenn alle fallen, „bleibt KONKRET“, murmelt Hermann L. Gremliza um und um; sie taugen alle nicht, könnte das Mantra genauso gut oder schlecht heißen, oder auch: Alles Renegaten außer Mutti.

Diese zentrale Botschaft hektographiert Gremliza, der Comandante Redundante, ins Land hinaus, Monat für Monat – wovon sie aber weder wahrer noch unwahrer wird, bloß immer langweiliger.

Es gilt in diesem / wie in jedem Sumpf: / Repetition macht stumpf. / Und stumpf ist Trumpf.

Schade eigentlich.

Wiglaf Droste

Siehe auch Seite 14

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