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Das befürchtete Chaos bleibt aus

Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina verlaufen ohne größere Zwischenfälle. Beobachter sprechen von hoher Wahlbeteiligung  ■ Aus Sarajevo Rüdiger Rossig

Ohne größere Störungen endeten gestern abend die ersten Nachkriegs- Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina. Was Wunder, hatten doch die westlichen Organisationen in der letzten Woche in einem atemberaubenden Verhandlungsmarathon mit Vertretern der großen nationalistischen Parteien in der exjugoslawischen Republik so ziemlich alle möglichen Probleme im Vorfeld gelöst. Vom angedrohten Wahlboykott der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) blieb denn auch wenig mehr als einige Verzögerungen: In Zepce und Tesanj in Zentralbosnien öffneten die Wahllokale erst am Samstag nachmittag. Im ebenfalls von der HDZ kontrollierten Livno mußten aufgrund der vielen zu den Wahlen angereisten muslimischen Flüchtlinge zusätzliche Wahllokale eröffnet werden. In Drvar, wo die kroatische Verwaltung am Samstag versucht hatte, serbische Flüchtlinge am Wählen zu hindern, verliefen die Wahlen gestern ruhig.

Auch aus dem von der muslimischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA) kontrollierten Ost- Mostar meldete die für die Organisation der Wahlen zuständige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Erfolg. Der muslimische Vizebürgermeister Safet Orucević hatte am Samstag morgen angesichts angeblicher Zugeständnisse der OSZE an die HDZ im Westteil der Stadt mit Wahlboykott gedroht – ließ die Drohung dann aber fallen.

In Banja Luka, der größten Stadt in Bosniens Serbischer Teilrepublik, blieben Störungen aus. Die westeuropäischen und amerikanischen Organisatoren der Abstimmung hatten angesichts des seit Monaten anhaltenden Machtkampfes zwischen Serbenpräsidentin Biljana Plavšić und Anhängern von Ex-Serbenführer Radovan Karadžić mit allem gerechnet.

Karadžić-Anhänger hatten ihre Boykottdrohung aufgegeben, nachdem die OSZE ihnen die nachträgliche Registrierung von 2.918 serbischen Wählern in der zwischen den ehemaligen Kriegsparteien umstrittenen Stadt Brčko gestattet hatten. Nach Angaben der OSZE war es während der Registrierung in Brčko zuvor zu einem „technischen Fehler“ gekommen.

Tatsächlich hatten die großen nationalen Parteien am 26. August CD-ROMs mit den Daten aller registrierten Wähler in allen Wahlkreisen Bosniens erhalten – und sofort begonnen, diese nach kroatischen, muslimischen und serbischen Namen auszuzählen. Die Boykottdrohungen während der Abstimmung kamen auch prompt aus den Wahlkreisen, in denen eine andere Volksgruppe über eine rechnerische Mehrheit verfügt. Die OSZE vermeldete gestern abend eine hohe Wahlbeteiligung. Ergebnisse sollen bis zum 21. September vorliegen.

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