: Gedankenfetzen im Doppelpack: Die Sterne und Stella im Kesselhaus
Vorschlag
Gedankenfetzen im Doppelpack: Die Sterne und Stella im Kesselhaus
Das war ein Ärger, neulich im KaDeWe. Da kauft man sündhaft teure, warme Schuhe, für Körperteile, denen man nicht traut. Und stemmt sich gegen Kälte, Hunger, Leid und Unsportlichkeit – immer dem Körper hinterher, wie ein Berserker – als wär' der wer, als wär' der stärker... wobei die Sache natürlich nicht wirklich passiert ist, sondern nur geklaut aus einem Song der Sterne, die so gerne davon singen, wie das Ich dann in Einzelteile auseinanderfällt und irgendwer die „Suppe aus Gedankenfetzen und Berührung, die sich Nähe nennt“ auslöffeln muß.
Das klingt ziemlich kompliziert und hat doch seine Basis in der Jugend. Unlängst auf Viva 2 beispielsweise wurden die schrecklichen Element of Crime und der noch viel schrecklichere Tilmann Rossmy vorgestellt. Dazu der Moderator: „Tilmann Rossmy kann mit den sozialkritischen Texten von Bands wie Tocotronic oder Die Sterne nichts anfangen.“ Dabei handeln die Genannten vom Gegenteil. Als Repräsentanten der Generation Kohl, die im freistehenden Elternhaus und dem angeschlossenen Gymnasium von schrecklich fortschrittlichen und gnadenlos wohlmeinenden Erziehungsberechtigten zum Protest geradezu verpflichtet wurden, kommt ihnen Politik höchstens als neoessentieller Style in die Schultüte. Doch trotz ihrer inhaltlichen Unverbindlichkeit – und selbst die machen sie zum Song – gelten die Sterne, die auf Epic/Sony erscheinen, noch immer als superkorrekte Indie-Band. Und trotz Major-Vertrag rocken und grooven Frank Spilker und Kollegen ja auch noch immer funky as ever.
Stella hingegen grooven nicht. Stella rocken auch nicht. Stella, die hundertste Band aus Hamburg, machen eigentlich gar nichts. Zwar klang ihre erste Maxi in den besten Momenten so herzhaft unentschlossen wie die Flowerpornoes ganz früher, aber reicht das? Du darfst auch „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ dazu sagen, wenn es nicht allzu böse gemeint ist. Was allerdings an den vier neuen Songs auf „Ok, tomorrow I'll be perfect“ denn nun „antinationalistisch“ ist, erklärt sich irgendwie nicht. Daß ganz Deutschland überrascht das Maul hält, wenn Elena Lange, Thies Mynther und Mense Reents sich im Elektronikladen verlaufen, vielleicht. Aber es soll ja auch Abende geben, an denen die Vorstellung, zumindest theoretisch ebenfalls da oben auf der Bühne rumbasteln zu können, irgendwie weiterhilft. Gunnar Lützow
Die Sterne und Stella, heute abend um 21 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg
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