Startschuß für teuren, toten Tunnel

■ Klemann: Keine S-Bahn im U-Bahn-Tunnel zum Reichstag

Den noblen Gästen des Hotels Adlon am Pariser Platz bleibt die eigentliche Berlin-Erfahrung erspart: Beim Bau der U-Bahn-Linie U5 vom Reichstag zum Pariser Platz wird es direkt vor ihren Suiten keine monatelang offene Baugrube geben. Das hat Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) gestern verkündet. Statt dessen werden die zwei U-Bahn- Röhren unterirdisch im Schildvortrieb an den Platz herangeführt, wo nur eine kleine Grube entsteht. Ursprünglich war geplant, die Maschine dort aus dem Boden zu holen und für die zweite Tunnelbohrung umzudrehen. Nun wird sie nach getaner Arbeit wieder rückwärts aus dem Tunnel gezogen.

Der 50 Meter lange Bohrmaulwurf wird sich ab November am Reichstag in das Erdreich fressen und das Teilstück der umstrittenen „Kanzlerbahn“ bauen. Die Tunnelstutzen sollen vom Lehrter Bahnhof bis zum Pariser Platz führen und Ende 1998 fertig sein. Das Projekt kostet 370 Millionen Mark, doch auf absehbare Zeit wird dort kein Zug rollen. Klemann gab sich zwar gestern optimistisch, daß 2000 mit der U5-Verlängerung vom Pariser Platz zum Alexanderplatz begonnen werden könne. Doch die Finanzierung des insgesamt 1,3 Milliarden Mark teuren Wegstücks ist bisher ungeklärt.

Klemann wies einen Vorschlag des grünen Verkehrsexperten Michael Cramer zurück. Cramer fordert, das auf lange Zeit leerstehenden Tunnelstück vom Pariser Platz über den Reichstag bis zum Lehrter Bahnhof mit der S-Bahn zu erschließen (siehe Grafik). Mit einer Änderung der Tunnelroute könne demnach die S-Bahn vom Potsdamer Platz in den jetzt zu bauenden Tunnel einmünden – bis fast zum Brandenburger Tor gebe es freie S-Bahn-Gleise. Klemann kritisierte, der Tunneldurchschnitt der U-Bahn lasse eine Nutzung durch die S-Bahn nicht zu. Die S-Bahn dagegen steht auf dem Standpunkt, „rein technisch“ sei der Betrieb in den U-Bahntunneln kein Problem und die „Probleme seien beherrschbar“.

Kurz vor Baubeginn will sich die Verkehrsverwaltung allerdings nicht auf Experimente einlassen: „Wir können nicht das eine planen und das andere bauen“, hieß es gestern.

Den Vorwurf, er vergrabe 370 Millionen Mark für einen ungenutzten Tunnelstutzen, wies Klemann zurück. Im Gegenteil helfe das jetzt begonnene Teilstück als Argument für einen Weiterbau trotz Finanzierungsproblemen: „Wie wollen Sie den Berlinern später einmal erklären, daß Sie diese Bahnstrecke halbfertig rumstehen lassen?“ fragte er listig. Bernhard Pötter