: Viele Zocker mit ganz schlechten Karten
■ Hamburgs Bezirke vor Wahl und Verwaltungsreform: Die städtebaulichen Weichen sind längst gestellt, und die restlichen Entscheidungen trifft der Chef bald alleine
Einmal muß es klappen. Morgen zum Beispiel. Hartwig Kühlhorn, CDU-Fraktionschef aus dem Bezirk Mitte, wird siegesgewiß zur Wahlurne schreiten. Wird die schmachvolle Erinnerung an 1993 verdrängen, als seine Partei auf St. Pauli mickrige 9,6 Prozent holte und im Bezirk auch nicht über 19,6 Prozent kam. Diesmal soll es anders sein. Diesmal will Kühlhorn die SPD ablösen. Seit 48 Jahren ist die in Mitte an der Macht. Länger, als Kühlhorn, 44, denken kann.
Die Chancen für einen Wechsel stehen nicht schlecht, glaubt auch die grüne Fraktionschefin Helmke Kaufner. „Ein Skandal jagte den anderen“, blickt die Oppositionelle auf vier Jahre „Sozi-Filz“zurück: Ob Millerntor- oder Difa-Hochhaus, Flüchtlingsunterkunft Schilleroper oder Saga-Wohnklotz an der Talstraße – „stets zockte die SPD ihre Projekte ohne Bürgerbeteiligung durch“. Dennoch: „Eine Koalition mit den Schwarzen können wir uns nicht vorstellen.“Zu groß seien die Differenzen über Flüchtlings- und Wohnprojekte-Politik.
„Schade“findet diese Absage an Grünschwarz nicht nur die CDU in Mitte. Auch der Harburger Boß der Christdemokraten, Thomas Schneider, ist von jahrzehntelanger, „völlig kompromißloser“SPD-Herrschaft so gefrustet, daß er ein Bündnis mit den Grünen „reizvoll“fände. „Aber die wollen nicht.“Umgekehrt war es in Wandsbek „zuletzt die CDU, die die Koalition zugunsten der SPD mit uns ablehnte“, erinnert sich Wandsbeks GAL-Fraktionschef Wolf-Dieter Rösler.
Dabei stehen sich Konservative und Alternative in Fragen der Bau- und Stadtentwicklungspolitik, den beiden Hauptbetätigungsfeldern politischer Lokalmatadore, durchaus nahe. Näher als den Sozis. Anders als die SPD möchten CDU und GAL die Stadtteile Moorburg und Francop komplett vor der drohenden Hafenerweiterung bewahren und das Bauvorhaben Neugraben-Fischbek 15 (3000 Wohnungen für 10.000 Menschen auf der grünen Wiese) nach der Wahl kippen.
Ob das gelingt, ist fraglich. Die Mehrzahl der sieben Hamburger Bezirke steht vor dem Dilemma, daß die planerischen Weichen gestellt sind. In den kommenden vier Jahren wird es darum gehen, die Bebauungspläne – ob Neu-Allermöhe-West in Bergedorf oder Höltigbaum in Wandsbek – mit Kindergärten, Wohnhäusern, Kinos und Gewerbeparks im Originalmaßstab zu füllen.
Nicht zuletzt deswegen dürften es die Grünen in Altona schwer haben, die Bürogebäude am Holzhafen, denen sie unter der rotgrünen Koalition mit Bauchschmerzen zustimmten, noch zu verhindern. „Die Baukörper für die Perlenkette am Hafenrand sind schon alle geplant“, frohlockt der Altonaer SPD-Kreisvorsitzende Olaf Scholz. Trotz aller Querelen um den grünen Fraktionschef Olaf Wuttke hoffen viele von Scholzens Genossen, „daß sich das mit der GAL wieder zurechtruckelt“und die Koalition fortgesetzt wird. Die Sanierung der Neuen Großen Bergstraße steht ebenso an wie die Überdeckelung der Autobahn 7, ein Verkehrskonzept für die Volkspark-Arena und die Ansiedlung von Industrie auf dem stillgelegten Güterbahnhof Altona.
In Bergedorf, dem Bezirk im Hamburger Südosten, der mit 20.000 neuen Einwohnern in den vergangenen zehn Jahren am stärksten wuchs, hoffen die Politiker auf ein wenig Ruhe: Die Pläne für Großwohnsiedlungen in Neu-Allermöhe-West, Oberbillwerder und Reinbeker Redder sind, alle gegen den Willen der GAL, auf den Weg gebracht und bei Bedarf schnell umsetzbar. Daher, so CDU-Fraktionschef Herbert Paege, könne sich Bergedorf endlich dem Neubau des maroden Billebades widmen. Die CDU will das Schwimmbad abreißen und in City-Nähe ein neues bauen. Die SPD präferiert den Pampa-Standort Oberbillwerder, die utopische GAL will das alte Bad sanieren und ein neues bauen.
Auch in Eimsbüttel, dem Bezirk der gesetzten Alt-68er-Pädagogen, ist die Arbeitsliste „1997-2001“lang: Das Dauerreizthema Wasserturm im Sternschanzenpark ist ungelöst, die Hagenbeck-Bebauung steht finanziell auf wackligen Füßen, Stellingen und Lokstedt brauchen „vernünftige Ortszentren“, weiß CDU-Chef Kurt Behrens.
Aber wie soll man das mit der Bezirksverwaltungsreform, die am Montag in Kraft tritt, bewerkstelligen? Unsicherheit geht um. So richtig ist niemand vorbereitet.
Bisher wurde in Eimsbüttel mit wechselnden Mehrheiten regiert, zur Zufriedenheit aller. Wie übrigens auch in Bergedorf und Nord, wo die SPD zwar die meisten Sitze, nicht aber die Mehrheit hat. „Bezirke sind nicht mit so staatstragenden Dingen beschäftigt“, findet Frank-Michael Bauer von der Statt Partei Bergedorf, „als daß man sich auf einen Koalitionspartner fixieren müßte“, ergänzt SPD-Chef Christoph Mallok. Aber künftig? „Nach der Reform hat die Bezirksversammlung nur noch beratende Funktion.“Dem Wandsbeker SPD-Fraktionschef Ingo Egloff ist schon ganz mulmig zumute. Die Reform habe einzig die Bezirks-Verwaltung gestärkt, nicht aber die Ausschüsse und politischen Gremien, klagen vor allem GAL und CDU. Sie wissen: Künftig haben die Bezirksamtsleiter das letzte Wort, und die tragen derzeit allesamt SPD-Parteibücher. „Wenn es hart auf hart kommt“, so der verbitterte GAL-Fraktionschef Wolfgang Guhle aus Nord, „werden wir Mehrheitsbeschlüsse zu Fluglärmbegrenzung oder Kampnagel-Bebauung fassen, ohne daß sich der Bezirksamtsleiter daran hält“.
Warum ist dann überhaupt noch jemand scharf auf einen der 288 Bezirksabgeordnetensitze? „Weil die jährlich 30 Millionen Mark Diäten kassieren, steuerfrei“, ereifert sich CDUler Kühlhorn. Ändert sich das, sollte sein Wahlwunsch in Erfüllung gehen? Schweigen.
Heike Haarhoff
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