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"Liebe taz..."Reichtum geraubt! -betr.: Leserbrief zu dem Artikel "Reiche zahlen wenig Steuern", taz-Bremen vom 17.9.1997

Leserbrief zu dem Artikel „Reiche zahlen wenig Steuern“vom 17.9.

Wo das Licht ist, da sammeln sich die Motten, so lautet eine alte Volksweisheit. Übertragen ins Alltagsleben beschreibt dieses Sprichwort einen Tatbestand, den keiner leugnen kann. Wo der Reichtum herrscht, da sammeln sich die Diebe und anderes Gelichter. Die Reichen und Superreichen in Bremen tragen mit ihrem Reichtum nicht unwesentlich dazu bei, daß in dieser Stadt gestohlen, geraubt und gemordet wird. Eine Stadt wie Bremen bestehend aus lauter Habenichten wäre z.B. für Räuber- und Diebesgesindel unattraktiv. Nun leidet unser schönes Bremen, dessen Straßen und Häuser durch diebischen und räuberischen Übergriff immer unsicherer werden, an einem politisch verordneten Polizeinotstand. Und dies in einer Zeit, wo sich zu dem städtisch angestammten Diebes- und Raubgesindel noch die von außen eingeschleusten Bandenkriminellen gesellen. Es wächst die Armut, es wächst der Reichtum und es wächst dem entsprechend die Zahl derer, die da stehlen, rauben, morden und erpressen. Das eine ist durch das andere bedingt. Liegt es da nicht auf der Hand, daß wir in diesen Zeiten mehr Polizisten, Staatsanwälte und Richter benötigen als weniger?

Dieser Personenkreis, der für unsere Sicherheit und durchsetzungsfähige und daher vertrauenswürdige Gerechtsamkeit zuständig ist, wird nun aufgrund der magerer ausfallenden Steuern personell so ausgedünnt, daß die Fundamente der Rechtssicherheit erheblich ins Wanken geraten. Es entstehen zwangsläufig Vollzugsdefizite, die unseren Rechtsstaat der diebischen und räuberischen Lächerlichkeit preisgeben. Wenn aber unsere Steuern magerer ausfallen in Zeiten wachsener Armut, wachsenden Reichtums und wachsender Kriminalität, muß nicht darüber politisch phantasievoll nachgedacht werden, wie man der inneren städtischen Bedrohung sinnvoll und effektiv begegnen kann? Wenn nun die Reichen nicht freiwillig ihre Millionen etwas zu gunsten der Ärmeren schmälern wollen, sie aber andererseits verantwortlich zu machen sind einmal für die Entreicherung der Armen und zum anderen für ein Anwachsen der Kriminalität, dann sollen sie mit einer progressiven Sicherheitssteuer belegt werden. Mit diesen Geldern lassen sich Polizisten, Staatsanwälte, Richter anstellen und finanzieren. Progressiv meint: Mit Anwachsen der Kriminalität wachsen auch die Sicherheitssteuern proportional zu den Millionen. Wenn die Kriminalität nachläßt, können auch die Sicherheitssteuern proportional sinken. Ich hoffe, daß meine Zeilen, der politisch verkrusteten und erstarrten Phantasie auf die Beine hilft und in der Bürgerschaft Bremens eine echte politische Innovation beschlossen wird: die Sicherheitssteuer, die dann bundesweit Schule macht als Lex Bremensis. Am Anfang ist das Wort und dann wird die Tat geboren.

Friedrich Bode, Pastor i.R.

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