: Streß im Kühlschrank
■ Im Schlachthof: Jazz-Harfenistin Deborah Henson-Conant
Deborah Henson-Conant gilt als die „Nr.1 der Jazz-Harfe“, was noch nicht viel bedeutet, schließlich drängeln sich Harfenspieler nicht gerade im Jazz. Eine Harfe gehört nicht eben zu den gängigen Instrumenten im Jazz, obwohl Alice Coltrane schon in den 60ern für Diskussionen unter Jazzfans über die Frage sorgte, ob das Instrument klanglich überhaupt für Jazz tauge. Jedenfalls blieb die Harfe im Jazz eine Ausnahme und als Leadinstrument sowieso. Der gemeinhin süßliche Wohlklang, der mit ihr erzeugt wird, paßte eben nicht zu den Rhythmen und Harmonien im Jazz.
Aber mensch kann das Instrument auch ganz anders spielen, wie Deborah Henson-Conant seit Jahren und auf inzwischen zehn CDs beweist. Darunter sogar zwei Solo-Alben, so auch das jüngste Produkt „alter ego“, das beim Bremer Label Laika erschienen ist. Durch ihre Spielweise erweitert die US-Amerikanerin das Klangspektrum ihrer 47saitigen Konzertharfe deutlich. Mit virtuoser Pedaltechnik läßt sie ihr Instrument mal wie eine Bluesgitarre klingen, mal wie eine Ukele oder einen Funkbass, ohne auf den klassischen Sound zu verzichten. Warum sollte sie auch Harfe spielen, wenn sie nicht deren Besonderheiten nutzen würde? Also gibt's ordentlich Arpeggios zu hören, aber eben auch schnelle Bassläufe oder untypische perkussive Akkorde. Klassisch ausgebildet, entführt Henson-Conant die Harfe nicht nur technisch aus ihren alten Bezügen, sondern auch stilistisch. In ihren Kompositionen vermengen sich Blues-, Latin-, Folk- und Jazzkomponenten zu einer pop-kompatiblen Mischung.
Mittlerweile besitzt sie sogar eine extra für sie angefertigte elektrische „Streetharp“, mit der sie wie mit einer E-Gitarre über die Bühne springen kann. Vor einigen Jahren begann Henson-Conant zu ihrer Musik zu singen und inzwischen nimmt der Gesang fast gleichberechtigten Raum ein. Das mag auch an ihrer Lust zum Texten liegen. Während früher witzig-ironische oder skurrile Texte noch dominierten, zum Beispiel über nächtliche Geschehnisse in Kühlschränken oder Streßanalysen von trägerlosen Abendkleidern, reflektieren und verarbeiten die Songs auf „alter ego“persönliche Erfahrungen, Gefühle und Gedanken. Worum die sich drehen und wie das dann klingt, kann man/frau sich am Sonntag anhören. Arnaud
Sonntag 20.30 h, Schlachthof
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