: Märchenstunde noch ohne Zugabe
■ Der Hamburger SV ist nach einem 2:1 über den VfL Bochum Fünfter Von Folke Havekost
Märchen sind meist lange Geschichten um einen kleinen Kern. In der Legende um den neuen HSV lautet der plot in angemessener Kürze: Anthony Yeboah, alternder Star, wegen seiner Steuerschuld zum halben outlaw emporgestiegen, soll einen nicht mehr konkurrenzfähigen früheren Spitzenklub wieder dorthin führen, wo vor lauter Spielkultur nur noch die Höhe des Sieges verhandelbar ist.
Drei zu Null: Zweimal Yeboah, einmal Dembinski, war die beliebteste Prognose im Shuffle-Bus vor dem Spiel. Doch Märchenbücher sind geduldig, Jahreszeiten sind es auch. Bei strahlendem Sonnenschein verschob der HSV sein Frühherbstmärchen. Es mußte erst wieder ein Altgedienter ran.
Ausgerechnet Harald Spörl, wegen seiner zehnjährigen Vereins-treue gern Lumpi gerufen, bereitete den Weg zu einem alltäglichen Arbeitssieg gegen den VfL Bochum. Paßte sein abgefälschtes Freistoßtor nicht ins Zaubergala-Konzept? Spörls 1:0 sei „eher lähmend“gewesen, zumal nach 120 Pokalminuten am Mittwoch in Leverkusen, befand HSV-Coach Pagelsdorf.
Als die Kräfte erlahmten und Bochum zudem rasch der Ausgleich gelang, sprach wenig für den Sprung in höhere Tabellenregionen. Doch gegen den VfL reichte auch das klassische Muster, 30 Meter vor dem gegnerischen Tor den Ball hoch in den Strafraum segeln zu lassen: Zeyer stand schließlich mal richtig, auch wenn Bochums Trainer Toppmöller lospolterte, vor dem 2:1 sei Hutwelker von Salihamidzic weggeschubst worden.
Diese Szene erlebte der Hauptdarsteller in spe, Yeboah, schon vom Spielfeldrand aus. Gegen Bewacher Waldoch verlor er fast jeden Zweikampf, mit der Schnelligkeit ist es nach halbjähriger Spielpause noch nicht weit her. Einmal, Mitte der ersten Hälfte, zeigte Yeboah, wofür er da sein könnte, so lange die Anbindung ans Spiel der Kollegen noch allzu unvollkommen ist: Zweimal nacheinander nahm er den Ball an der Seitenlinie mit der Brust an – ob solcher Kabinettstückchen spendet der Beobachter freundlichen Beifall, wenn der Künstler die Bühne verläßt.
Nach 62 Minuten war die Märchenstunde vorbei – Weetendorf kam für Yeboah, der Zugaben versprach, „wenn ich erst einmal fit bin“. „Allein daß er mitgespielt hat, war wichtig“, stellte sich Pagelsdorf vor seinen Schützling, der zum Spiel gegen einen Abstiegskandidaten immerhin 38.000 Zuschauer ins Volksparkstadion gelockt hatte. „Zwei bis drei Wochen“, so Pagelsdorf, brauche Yeboah noch, um seine Torgefährlichkeit umsetzen zu können. Was heißen soll: Zum nächsten Heimspiel am 14. Oktober gegen Karlsruhe sollen alle wiederkommen.
Hamburger SV: Butt – Fischer, Schnoor, Böger – Spörl (72. Schopp), Gravesen, Cardoso (72. Jepsen), Zeyer, Salihamidzic – Dembinski, Yeboah (62. Weetendorf).
VfL Bochum: Gospodarek – Waldoch – Mamic (82. Bastürk), Fahrenhorst – Hutwelker, Wosz, Kracht, Hofmann, Reis – Donkow (62. Gülünoglu), Közle.
Schiedsrichter: Kemmling (Burgwedel) – Zuschauer:37.824.
Tore: 1:0 Spörl (52.), 1:1 Hofmann (61.), 2:1 Zeyer (78.).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen