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Ende eines Geschäfts

Deutsche Richter halten den elektronischen Briefkasten sauber: Das Landgericht Traunstein verbietet unerwünschte Mail-Werbung

Sogar der Chaos Computer Club war von diesem neusten Eingriff deutscher Richter in die Freiheit der Netze begeistert. „Dieses Urteil begrüßen wir im Namen der Menschlichkeit“, ließ sich der Sprecher der deutschen Traditionshacker vernehmen, als Ende vergangener Woche endlich bekannt wurde, was das Landgericht Traunstein in aller Stille per einstweilige Verfügung schon vor zwei Wochen mal eben beschlossen hatte. Inzwischen hat das am Verfahren beteiligte Anwaltsbüro Tobias Strömer und Anselm Withöft in Düsseldorf den Wortlaut im Web zugänglich gemacht (www .netlaw.de/urteile/lgts_01.htm).

Der Text könnte Epoche machen (AZ 2HK O 3755/97): „Der Antragsgegnerin“, lautet der Kernsatz, „wird verboten, Werbung an Privatleute über E-Mail ohne vorherige Zustimmung der betreffenden Person zu senden.“

Ende eines der bislang sichersten Geschäfte im Internet – falls der Beschluß des Traunsteiner Landgerichts rechtskräftig bleibt. Denn Fachleute der Werbebranche bezweifeln weiterhin sehr, ob die vielen bunten Bildchen auf den Webseiten je beachtet und nicht einfach bloß möglichst schnell weggeklickt werden. Immer mehr Firmen kommen deshalb auch in Deutschland auf die Idee, eine weit treffsichere Methode der Kundenbelästigung anzuwenden: die Werbung per E-Mail. Sie landet exakt dort, wo sie hin soll, und es ist praktisch unmöglich, sie zu übersehen. Dafür sorgt das „POP“ genannte Standardverfahren im Internet, das nach dem Einwählen auf den Server die gesamte Post auf die Festplatte des Nutzers schaufelt. Auch dort lassen sich die unerwünschten Mitteilungen zwar leicht löschen, aber die Chance, daß sie davor wenigstens kurz angelesen werden, ist weitaus größer als die Chance, die ein Werbebanner auf einer Website hat, angeklickt zu werden.

In den USA ist seit diesem Frühjar ein Gesetzgebungsverfahren im Gang, um die Flut von Werbemails einzudämmen, unter der vor allem Geschäftsleute leiden. Ihre Briefkästen sind ohnenhin überfüllt, und sie reagieren in einem in Deutschland bisher noch unbekanntem Maße entnervt auf jede zusätzliche Post, um die sie niemals gebeten haben.

Noch ist ein Ende der Debatte in Washington nicht abzusehen – die Deutschen, so scheint es, werden dieses Problem womöglich auf weit elegantere Weise los. „Wir brauchen kein neues Gesetz“, meint Rechtsanwalt Withöft und glaubt, daß die einstweilige Verfügung der Traunsteiner Kammer Bestand haben wird. Die Verfahrensgegner haben sich noch nicht dazu geäußert, ob sie die Eilentscheidung akzeptieren wollen.

Der Anlaß des Verbotsantrags, um den es ursprünglich ging, ist angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits in den Hintergrund getreten: Am Niederrhein schickte ein Geschäftsmann E-Mails an Leute, die in diversen Anzeigenblättern der Region Anzeigen geschaltet hatten. Der unerbetenen elektronischen Post konnten sie entnehmen, daß der Absender ihnen eine attraktive Möglichkeit anbiete, ihre Anzeigen auch auf der Website zu plazieren, die er zu diesem Zweck betreibe.

Gar keine schlechte Idee, zielsicher auf sich selbst aufmerksam zu machen, fand ein anderer Betreiber von ähnlichen Online-Werbediensten. Nur sei das leider verboten. Der Konkurrent berief sich dabei sowohl auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb als auch auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – unter anderem auf eine Entscheidung von 1988, die das Versenden von Werbemitteilungen über das damals hochmoderne Btx-System der damaligen Bundespost verbot.

Dieses Verbot sei sinngemäß auf den heutigen E-Mail-Verkehr ebenfalls anzuwenden, argumentierte der Antragsteller, die Werbung seines Konkurrenten sei folglich ungesetzlich. Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung als erfüllt an und setzte auch gleich eine saftige Strafandrohung in seinen Urteilstext: Der allzu clevere Webseitenbetreiber am Niederrhein muß im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe von 500.000 Mark rechnen.

Eine gewisse abschreckende Wirkung dürfte der Eilentscheid allemal haben. Er nützt nur leider immer dann nichts, wenn sich ein privater Empfänger unerwünschter Werbemail tatsächlich belästigt fühlt. Die Opfer haben nach der Rechtskonstruktion, die dem Traunsteiner Beschluß zugrunde liegt, kein eigenes Klagerecht. Als Gegenwehr bleiben ihnen weiterhin nur die Löschtaste und mehr oder minder drastische Aufforderungen an den Absender, seine Belästigungen zu unterlassen. Für alles darüber hinausgehende kann auch Rechtsanwalt Withöft nur raten, wieder den mühsamen Umweg über den Verbraucherschutzverband zu gehen, der seinerzeit zum Urteil des BGH gegen den Mißbrauch des Btx-Systems führte.

Grundlage auch dieses Urteils war das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das nur Firmen ein Klagerecht einräumt – die Kunden sind keine Wettbewerber. Immerhin ist aber den Verbraucherschutzverbänden ein Ersatzrecht zugestanden worden. Sie können von sich aus Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb anklagen. Weitsichtig zogen sie denn auch in den 80er Jahren durch alle Instanzen, bis sie das Verbot unerwünschter elektronischer Werbung beim BGH erstritten hatten. Ungewiß ist allerdings, ob diese Entscheidung in einem neuen Verfahren bestehen könnte. Der BGH verwies 1988 darauf, daß die unerwünschte Werbung unzumutbare Kosten verursache, doch die Übertragung von Daten war damals sehr viel langwieriger und teurer. Ein neuer Prozeß könnte zu dem Ergebnis führen, daß der Druck auf die Löschtaste im Namen der Gewerbefreiheit zumutbar sei.

Der Kampf gegen den Werbemüll ist jedoch selbst ein Werbeargument. Kaum war das Traunsteiner Urteil bekannt, gab der amerikanische Internet-Provider „PSINet“, der erst seit einem halben Jahr in Deutschland tätig ist, eine Erklärung ab, daß seine Kunden vor unerwünschter Werbung geschützt seien. Sie dürfen sich bei PSINet beschweren. Falls es sich um Massensendungen gleichen Inhalts handelt, wird die Adresse des Absenders für das Hausnetz gesperrt. Ein gutes Dutzend solcher Fälle sei bisher aufgeflogen, sagt der deutsche Sprecher der Firma – in Deutschland aber noch keiner. Niklaus Hablützel

niklaus@taz.de

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