: Beinamputiertes Stahlgewitter
■ Roberto Rossellinis „Ein Pilot kehrt zurück“kommt nach 50 Jahren wieder auf die Leinwand
Die Umstände sprechen anscheinend für sich und gegen ihn. Roberto Rossellinis Film Ein Pilot kehrt zurück entstand in den letzten Jahren des italienischen Faschismus (1941/42) und geht zurück auf eine Idee von Mussolinis Sohn Vittorio. Der trat außerdem als Produzent in Erscheinung und erreichte beim Kriegsministerium finanzielle Unterstützung. Gegenstand des Films ist die Eroberung Griechenlands aus der Luft, und oberflächlich betrachtet propagiert er den heroischen Kampfeswillen italienischer Piloten. Also: Rossellini, der italienische Fall Riefenstahl?
Richtet man das Hauptaugenmerk auf den detailliert festgehaltenen Anflug eines italienischen Geschwaders auf eine griechische Stadt – die Pfeilformation der Bomber, das Anvisieren, der Pilot mit der Hand an dem Griff, durch den die Bomben ausgeklinkt werden, bis hin zu den Massendetonationen – so kann man sich der militärischen Distanz und der Ästhetisierung des Schrecklichen kaum erwehren. Die kühle Beobachtung des technischen Zerstörungsprozesses verstellt den Blick auf die Toten.
Aber Rossellini beschränkt sich nicht auf diesen Aspekt. Er erzählt die Geschichte des Lieutnant Rossati, der aus der Luft geschossen wird und in ein Gefangenenlager gerät. Später gelingt es ihm, mit einem feindlichen Flugzeug zu fliehen. Kaum ist sein Leben gerettet, wird er beinahe von seinen Landsleuten abgeschossen. Als sie ihn schließlich erkennen, berichten sie ihm absurderweise als erstes von der Kapitulation Griechenlands. Seine waghalsige Flucht, ein gänzlich überflüssiges Unterfangen. Unterscheidungen von Freund und Feind, ein Schuß in den Ofen. Die ungebremste Technikeuphorie des Luftkriegers wird mit dem verpaßten Zeitfluß tragischer Lächerlichkeit anheimgestellt.
Rossellinis Bemühen, „die Dinge so zu zeigen, wie sie sind“, also eben jener neorealistische Transfer (Rom offene Stadt, Deutschland im Jahre Null), das tatsächliche Leben, nach tatsächlichem Pathos und Drama abzuklopfen, zeigt sich auch schon in diesem Frühwerk.
Und wenn Rossati einem Arzt bei einer Beinamputation assistiert, hält die Kamera diese Operation ebenso minutiös wie die Flugsequenzen fest.
Rossellinis Ein Pilot kehrt zurück, von den Nazis in den 40er Jahren gefeiert, verschwand nach dem Krieg in den Archiven der Filminstitute. Nach über 50 Jahren bietet das Metropolis jetzt eine deutsche Bearbeitung in seinem Programm an. Joachim Dicks
heute, 19 Uhr, Metropolis, mit einer Einführung von Thomas Tode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen