Starschnitte und Sunkist Kirsch

■ Aus Slam-Kreisen zur ISBN-Nummer: Mit „Wir schießen Gummibänder zu den Sternen“legt der Hamburger                    Stefan Beuse legt sein erstes Buch vor

Wenn ein junger Mensch sich entschließt, Schriftsteller zu werden, dann gilt es, ein erstes Buch zu machen, dem ein zweites folgt, um anschließend – eines fernen Tages – vom Schreiben leben zu können. Doch sind die Wege dahin bekanntlich beschwerlich. Schon die einfache Frage: Wer ist Stefan Beuse? kann sich als hemmend für diesen erweisen.

Dabei ist Stefan Beuse in der hiesigen Literaturszene kein ganz Unbekannter. Seitdem er das Städtchen Münster verlassen hat, um in unserer Hafenmetropole sein Glück zu versuchen, ist man seinem Namen des öfteren begegnet. Als Autor der Hundspost und als vielgesehenem Gast in der LAOLA-Szene, die jene rauhe Lesungsform etablierte, die die Literatur aus dem Germanistendunkel ans Licht der popverwöhnten Öffentlichkeit zu bringen versucht. Doch ist es Beuses Sache nicht, sich auf der Bühne zu wälzen oder ins Publikum zu springen.

Entsprechend unternimmt er vorsichtige Distanzierungsversuche, um sich aus jenem Sammelsurium aus guten und schlechten Texten, aus gekonntem Vortragsstil, schnödem Selbstdarstellungsgehabe und Exhibitionismus abzusetzen. Ob Social Beat oder Slam Poetry – am Ende entscheidet der Buchhandel.

Und so liegt nun Beuses Buchdebut Wir schießen Gummibänder zu den Sternen vor uns; ordentlich gebunden, mit Fadenheftung und amtlicher ISBN-Nummer. Eine Sammlung von kurzen Geschichten, die um das Material kreisen, über das der junge Dichter zu Beginn seiner Karriere gewöhnlich verfügt: die Verlockungen und Schrecken der Kindheit, die Mühen der Pubertät, die fragwürdigen Freuden der späten Jugend. Stories also, die um den Geruch von „Sunkist Kirsch“und den Geschmack von „Velemint“kreisen; um erste Griechenlandreisen, um junge Männer, die den noch ungewohnten Trennungsschmerz am Morgen danach bei einem Waldspaziergang auskosten.

All' das sehr hübsch erzählt, mit einem Schuß Melancholie gewürzt, gilt es doch, den gemeinsamen Geist zu beschwören: War es nicht schrecklich schön damals? Und möchten wir nicht dorthin zurück? In die Welt der Posterstarschnitte, der schlabberigen Turnhosen, als niemand einen Cassettenrecorder besaß, sondern ein Tonbandgerät; als uns tschechische Märchenfilme die nachmittäglichen Träume versüßten.

Das Rüstzeug für diese knappen Episoden hat sich Beuse in seinem sonstigen Betätigungsfeld erworben: der Werbung. Hier verdient er das nötige Kleingeld, hier trainiert er jeden Tag, Texte zu entschlacken, jede Silbe einer harten Prüfung zu unterziehen. Die zuweilen glatte Oberfläche, die dabei entsteht, sorgt für einen angenehm unprätentiösen Tonfall. Gejammert wird nicht! Der Texter als Literat, der Literat als Wortverknapper.

So dürfte die nächste Aufgabe – der buchdeckelfüllende Roman! –, zu der sich Beuse gedrängt sieht, keine leichte sein. Er – so ist zu erfahren – arbeitet dran. Und wie er es auch anstelle, er käme vom Fragmentarischen, vom Miniaturhaften nicht weg. Immerhin dürfte Beuses innerer Antrieb zunächst für genug Stoff sorgen: „Ich schreibe immer über die Dinge, die ich nicht ganz begriffen habe.“Das zweite Buch – auch das ist bekannt – entscheidet über den weiteren Werdegang eines hoffnungsvollen Talents. Wir dürfen gespannt sein.

Frank Keil

Stefan Beuse: „Wir schießen Gummibänder zu den Sternen“, Reclam Leipzig 1997, 154 Seiten, 29.80 Mark