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Schwimmring adieu

Übergewicht macht krank, da helfen keine Pillen: In drei Zentren in Hamburg können Dicke ihre Pfunde loswerden  ■ Von Lisa Schönemann

Dick ist alles andere als schick. Überflüssige Pfunde werden gern zum Anlaß für Sticheleien genommen. Doch die störenden Schwimmringe am Bauch haben nicht nur einen sozialen, sondern auch einen medizinischen Aspekt: Übergewicht macht krank, da helfen keine Pillen. In drei speziellen Zentren in Hamburg hingegen können übermäßig beleibte Männer und Frauen den Kampf mit der Fettsucht aufnehmen – mit guten Aussichten, aus dieser mühsamen Selbst-überlistung als Sieger hervorzugehen.

Dorit Roeper vom Optifast-Zentrum am Krankenhaus Groß Sand in Wilhelmsburg macht den Patienten anfangs klar, daß ihrem Problem nicht mit „ein paar Diättips“beizukommen ist. Bei der Eingangsuntersuchung zeigt die Waage meist 100 bis 125 Kilogramm an, 30 Prozent mehr, als für die jeweilige Körpergröße vorgesehen sind. „Es geht nicht um kleine Fettpolster an den Oberschenkeln“, so die Einschränkung der Ernährungswissenschaftlerin, „niemand legt sich zu uns in Bett und wartet, daß er schlank gemacht wird“.

Der Fettsucht (Adipositas) kann langfristig nur mit einem ausgeklügelten Programm zu Leibe gerückt werden. Dieses beginnt in der ersten Phase mit der Verabreichung von Flüssignahrung. Der Vorteil gegenüber anderen Abspeckmethoden: Für die Patienten fällt das lästige Kalorienzählen mit der Briefwaage, also ein Gutteil des Diätstresses weg. Hinzu kommen eine sorgfältige medizinische Betreuung, Ernährungsberatung und Verhaltenstherapie. In den ersten zwölf Wochen nehmen die Patienten bis zu 25 Kilogramm Körpergewicht ab. „Aber was nützt das“, warnt Dorit Roeper, „wenn sie dann bei der nächsten Krise doch wieder den Kühlschrank leerfuttern?“Die Verhaltenstherapie sei daher darauf ausgerichtet, die Bereitwilligen auf die Gefahr eines Rückfalls vorzubereiten.

Das Programm geht insgesamt über 52 Wochen. Zum Ende lernen die Teilnehmer, sich „mit gesunder Mischkost“zu ernähren. „Spaß am Essen und dabei schlank bleiben“, lautet das Motto, das Dorit Roeper ihren ambulanten Patienten vermittelt, die durchschnittlich einmal in der Woche zu ihr oder in eines der anderen Zentren am AK Wandsbek oder am Krankenhaus Bethanien kommen.

Wer bis zum Ende durchhält, hat bis zur letzten Phase der Adipositas-Therapie eine Menge über sich und seine (ungesunden) Angewohnheiten gelernt: Zum Beispiel über den Zusammenhang von Fettsucht und Bewegungsmangel oder das Frustessen in Problemsituationen. „Es findet keine Gehirnwäsche statt, aber es geht schon ans Eingemachte“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Bisher haben in Hamburg 750 stark Übergewichtige das Programm erfolgreich durchlaufen – rund 70 haben das Handtuch geschmissen.

Die Kassen übernehmen nur einen Teil der Behandlungskosten, die sich auf über 5000 Mark belaufen können, obwohl die Folgekosten des Risikofaktors Adipositas ungleich höher liegen.

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