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Auferstanden aus Ruinen

■ In Huchting entsteht derzeit ein wegweisendes Bauwerk: Das achteckige Fachwerkhaus am Recyclinghof ist zu 80 Prozent aus Abrißmaterial gebaut – darunter Steine aus der alten Kapelle des Gesundheitsamtes

Achteckiges Fachwerk mit Aussparungen für verschieden hohe und breite Fenster – und im Boden des Rohbaus stecken Flaschen mit dem Hals nach unten, zur Wärmeisolierung. Schon auf den ersten Blick offenbart sich auf dem Gelände des Recyclinghofs Huchting ein ungewöhnliches Bauprojekt – das dennoch jede Menge Tradition verkörpert – darauf deutet nicht nur der Richtkranz hin, der im Wind taumelt, ganz oben am ebenfalls achteckigen Schlot, der aus der Mitte des Hauses aufragt.

„Hier werden Handwerke ausgeübt, die bereits am Aussterben sind“, sagen die ArchitektInnen des Oktagons, Kristen Müller und Ute Dechantsreiter; das Mauern auf Fuge beispielsweise oder das Verzapfen alter Balken. „Heute wird am Bau doch nur noch geschäumt, geklebt, gespritzt“, sagen sie kritisch. Bei ihrem „Experimentalhaus 2000“ geht das nicht. Es besteht zu 80 Prozent aus recycelten Baustoffen.

„Wir wollen Recycling salonfähig machen“, sagen Planerin und Planer. Die beiden Hauptamtlichen vom Recyclinghof, die über die Umsetzung des Bauvorhabens wachen, wollen das – und noch mehr. „Normalerweise bringen uns die Leute etwas: Ihren Bauschutt, ihren Schrott oder einfach Wertstoffe wie Glas und Papier. Wenn das Haus erst fertig steht, sollen sie auch was von uns bekommen“, philosophiert der kaufmännische Geschäftsführer des Huchtinger Recyclinghofs, Andreas Keireit: Der Huchtinger Ortsbeirat könnte ab dem Jahr 2000 im neuen Sitzungssaal tagen, die Senioren Feste feiern und die Stadtwerke vielleicht Energieberatung abhalten. Und in den Pausen dürften die BesucherInnen durch eingelassenes Glas in Wände und Fußboden schauen und sich persönlich ein Bild davon machen, wie aus Abbruchhäusern neue Wände, Decken und Böden entstehen. Den Dachstuhl unmd das Fundament ausgenommen – wegen der Statik mußten hier neue Materialen gekauft werden.

Ein Huchtinger Vorzeigebau also – „vor allem für Selbstbauer“, sagt Architekt Kristen Müller und rechnet vor, daß der Materialwert des Hauses bei rund 250.000 Mark läge, müßte man alles neu kaufen. Mußten die Huchtinger aber nicht: Die dicken Balken, die die Zwischendecke zu den Ateliers im ersten Stock tragen werden, stammen aus dem Bremer Hafen. „Aus Getreidespeichern. Garantiert unbehandelt“, schwärmt Bauleiter Paul Krol. Und die weichen Rotsteine als Hintermauerung – „sowas Gutes gibt es heute nirgendwo mehr zu kaufen“ – wurden aus dem Bremer Hauptgesundheitsamt vor dem Schredder einer x-beliebigen Bauschutthalde gerettet. Vielleicht, weil sie schon immer für Höhereres bestimmt waren. „Die kommen aus der kleinen Kapelle am Gesundheitsamt“, sagt Paul Krol. Er muß es wissen. Er war mit seinen Leuten vor Ort, um Stein für Stein abzutragen, wegzufahren, zu reinigen und später in Huchting wieder einzubauen. „Allein an Material sparen wir auf diese Weise 175.000 Mark“, sagt Kristen Müller zufrieden. Diese Rechnung ist ohne Lohn – aber den dürfe man in dem Qualifizierungsprojekt, in dem 30 BSHG- und ABM-Leute beschäftigt sind, ohnehin nicht so kalkulieren, sagen die PlanerInnen. „Das rechnet sich anders“, sagt auch Recyclinghof-Chef Andreas Keireit: „In diesem Jahr haben wir von unseren 30 schon acht Leute in feste Stellen vermittelt.“

Davon unabhängig halten die Beteiligten den Bau eines Hauses mit Recyclingmaterial trotz insgesamt höheren Arbeitskosten nicht für unwirtschaftlich. „Es kommt drauf an, was man für eine Rechnung aufmacht“, sagt Rolf Dannenberg von der Bremer Holzbau. Die Firma hat die Zimmererarbeiten ausgeführt – was mit den alten, abgelagerten, harten, manchmal verdrehten dicken Holzbalken auch für Fachleute eine Herausforderung war. Trotzdem sagt Dannenberg wie auch Architekt Kristen Müller: Wenn man in einer solche Bilanz die echten Kosten für neue Materialien zugrunde legen würde, inklusive Transport und Entsorgung der alten, dann wäre Recycling gesamtwirtschaftlich nicht so teuer. Und Architektin Dechantsreiter ergänzt: „Wir machen hier ja die Wiederverwertung von Massenprodukten vor“. Vor allem hier gebe es viel zu lernen. „Auf alte Raritäten sind ja heute schon viele Leute scharf.“ Aber genau darum gehe es ihnen nicht. ede

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