piwik no script img

Project 2010 schreitet sacht voran

In zwölf Jahren wollen die USA Fußballweltmeister werden, doch zunächst geht es erst einmal darum, genug Zuschauer zum morgigen MLS-Finale in Los Angeles zu locken  ■ Von Thomas Hahn

Denver (taz) – Als Präsident des Fußball-Verbandes der USA (USSF) darf Robert Contiguglia natürlich nicht Partei ergreifen für eines der zwölf Teams in der Major League Soccer (MLS); nicht einmal für die Colorado Rapids, obwohl er in Denver lebt. Aber für das Wohl des Fußballsports in den USA – das läßt sich schwer bestreiten – ist es eben nicht gerade zuträglich gewesen, daß Chicago Fire in den Spielen um den Einzug ins MLS-Finale Los Angeles Galaxy bezwang und nun morgen gegen Washington D.C. United um die höchste Weihe im US-Fußball kicken darf. „Das kostet 20.000 Zuschauer“, schätzt Contiguglia. Das Endspiel findet nämlich in Los Angeles statt, genauer gesagt in der Rose Bowl von Pasadena; und ohne die lokale Elf auf dem Feld werden sich viele Einheimische den Ausflug ins Stadion sparen.

Das wird keinen guten Eindruck machen, wenn die mächtige Betonschüssel nur spärlich gefüllt ist, und es dürften vor allem bei europäischen Beobachtern wieder einmal Zweifel aufkommen, ob Fußball überhaupt das richtige Spiel für die Amerikaner ist. Ohnehin hat der amerikanische Soccer im allgemeinen und die 1996 gegründete MLS im besonderen die Experten vom Heimatkontinent des Fußballs noch nicht besonders überzeugt. Daß hier alternde Könner wie Tom Dooley (Columbus) oder der Kolumbianer Carlos Valderrama (Miami) zu den Besten zählen, ist keine Empfehlung. Außerdem interessiert die MLS offenbar kaum jemanden: ABC und die Sportsender ESPN/ ESPN2 hatten bei ihren Übertragungen im Durchschnitt Einschaltquoten von 0,9 und 0,4 Prozent. In den Zeitungen verschwinden die spärlichen MLS-Berichte zwischen Sonderseiten über American Football, Baseball, Basketball oder Eishockey. Und weil dazu auch noch die US-Nationalelf bei der WM in Frankreich ohne Sieg blieb, finden es viele in Europa immer wieder vergnüglich, wenn es aus Übersee heißt, 2010 wollten die USA Weltmeister werden.

Doch so viel Abschätzigkeit stört Präsident Contiguglia wenig. Im August erst wählten ihn die USSF-Mitglieder ins Amt, als Nachfolger des Soccer-Aktivisten Alan Rothenberg, der sich nach acht Jahren nicht mehr zur Wahl stellen durfte. Jetzt hat Contiguglia damit zu tun, weiterzuführen, was der Vorgänger auf den Weg gebracht hat: das Unternehmen, die USA als Fußballnation konkurrenzfähig zu machen. Und er ist sich sicher, daß das auch gelingen wird: „Das ist nur eine Frage der Geduld.“ Denn gerade in den vergangenen Jahren hat sich viel getan: Reichlich Fußballplätze sind entstanden, Projekte zur Talentsichtung und Ausbildungsprogramme wurden entwickelt.

Und es gibt endlich eine Profiliga, besagte MLS, die dem Nachwuchs eine Perspektive bieten soll. Die MLS genügt zwar noch nicht europäischen Ansprüchen, ist aber auch nicht völlig erfolglos: 14.000 Zuschauer haben 1998 immerhin durchschnittlich die Spiele gesehen. Das Medieninteresse ist zwar gering, aber eben nicht mehr so gering wie früher; so viele Übertragungen aus der MLS wie 1998 gab es noch nie. Und daß die Presse sich mittlerweile erkundigt, ob demnächst wirklich D.C.-Coach Bruce Arena Nationaltrainer wird, ist auch ein Fortschritt. „Als wir 1990 einen Trainer gesucht haben, wollte das keiner wissen“, sagt Contiguglia.

Der Präsident blickt auf die jüngsten Errungenschaften und findet: „Alles ist gerichtet für den Erfolg. Zum ersten Mal.“ Er will darauf aufbauen und weiter voranbringen, was im Verband unter dem Titel „Project 2010“ läuft. „Wir wollen unsere Infrastruktur schrittweise entwickeln“, sagt Contiguglia, „und als symbolisches Ziel steht: Gewinn der WM 2010.“ Der höchste Anspruch soll die USSF leiten bei ihrem Bemühen um Anschluß an die Weltspitze. „Erfolg ist eine Reise, nicht ein Endziel“, sagt Contiguglia, „das heißt: Was wir für einen WM-Gewinn tun müssen ist wichtiger, als die WM tatsächlich zu gewinnen.“

Ehrgeiz, Eifer und Besonnenheit sind die Tugenden, denen sich die USSF verschrieben hat. Und das ist auch anderen Sportfunktionären aufgefallen, und zwar nicht nur angenehm. Einmal meldete sich Gene Washington, Vizepräsident der National Football League, bei Contiguglia mit einer Beschwerde: Er fürchtete, daß die USSF bei ihrer Talentsuche in den Highschools potentiellen Football- Nachwuchs abwerben könnte. „Er war beunruhigt“, sagt Contiguglia und schmunzelt. Mitleid hatte er mit Washington nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen