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Der Weg nach Europa ist noch weit

■ Der Fischer-Besuch hat das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei verbessert, meinen die Grünen. Opposition übt Kritik

Berlin (taz/dpa/AFP) – Als einen wichtigen Schritt für die Reformperspektiven in der Türkei und die Integration der Türken hierzulande wertet der Vizevorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Cinar, den Türkeibesuch Joschka Fischers. Die Wiederannäherung zwischen Bonn und Ankara werde schon bald eine positive Wirkung auf die Integration der Deutschtürken haben, ist sich Cinar sicher.

„Viele hatten bislang das Gefühl, wenn die Türkei von Europa abgelehnt werde, meine das auch sie. Wenn die Türkei nun durch das Engagement der rot-grünen Regierung im Dezember 1999 Beitrittskandidat der EU werden sollte, fällt es ihnen leichter, sich mit ihrer zweiten Heimat Deutschland zu identifizieren“, so Cinar. Kritisiert wurde der Fischer-Besuch hingegen von den Oppositionsparteien. Friedbert Pflüger (CDU) hat sich gegen Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt ausgesprochen.

„Nicht die EU hat der Türkei bisher den Weg zur EU versperrt; die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren mit ihrer Menschenrechtspolitik selbst aus dem Kreis der Kandidaten herauskatapultiert“, sagte Pflüger der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Anstatt eines Versprechens, die Türkei schon bald in den Kreis der EU-Kandidaten aufzunehmen, sei es notwendig, die demokratischen und prowestlichen Kräfte in der Türkei im Rahmen einer langfristigen Strategie zu stärken.

Auch FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle lehnte eine rasche Aufnahme der Türkei ab. „Solange sich die Türkei den Wertkonsens der EU nicht zu eigen macht, sehe ich weder kurz- noch mittelfristig eine Perspektive für einen EU-Beitritt.“ Erst müsse die Türkei Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit konsequent achten. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, hat die Bundesregierung gewarnt, in der Türkei keine unerfüllbaren Hoffnungen in Hinblick auf eine baldige Beitrittsperspektive in die EU zu wecken.

„Der Weg der Türkei nach Europa ist noch weit und eine Aufgabe für zwei bis drei Generationenen“, erklärte Glos.

Dagegen erwartet der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, der Fischer auf seiner Visite begleitete, daß die Türkei bei der Helsinki-Konferenz im Dezember Kandidat für die EU-Mitgliedschaft wird. Andernfalls „wäre das wirklich ein Rückschlag für die europäisch-türkischen Beziehungen“, sagte Özdemir.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei habe sich nach dem Besuch Fischers verbessert, meinte der innenpolitische Sprecher der Grünen. Eberhard Seidel

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