Die SPD bietet keine Orientierung

■ Saarlands neuer SPD-Fraktionsvorsitzender Heiko Maass meint, dass für seine Partei der Zeitpunkt einer Kurskorrektor bereits überschritten ist

taz: Haben Sie sich das Wahlergebnis angeschaut, oder haben Sie genug von SPD-Pleiten?

Heiko Maass:Ich habe demonstrativ kein Fernsehen geguckt. Aber das Ergebnis hat mich doch ereilt.

Damit haben sie auch die stereotypen Erklärungen der Parteispitze gehört. Sagen die Ihnen noch was?

Nein. Das sind reine Durchhalteparolen. Die werden geäußert, weil der Punkt, an dem man hätte Kurskorrektoren vornehmen können, schon überschritten ist. Deswegen versucht man, bis zum Vermittlungsausschuss die eigene Position zu halten. Weil man davon ausgeht, dass eine Kurskorrektur nur die Glaubwürdigkeit der eigenen Leute und der Partei noch einmal beschädigen würde.

Die Wahlbeteiligung in Sachsen war höher als bei der vorigen Landtagswahl. Zeigt das nicht, dass die SPD-Wähler letztlich doch nicht parken, sondern fremdgehen?

Es ist bedauerlich, dass nun auch diese Ausrede flöten gegangen ist. Sachsen ist aber ein Spezifikum. Der Spitzenkandidat der CDU hat diese Wahl dominiert. Außerdem ist die SPD in Sachsen organisatorisch äußerst schwach. Man kann das nicht auf Deutschland übertragen.

Die Wähler verbinden die SPD nicht mehr mit dem Begriff „soziale Gerechtigkeit“.

Zum einen ist mit dem Abgang von Oskar Lafontaine sicher die Symbolfigur für die soziale Gerechtigkeit abhanden gekommen. Im Bundestagswahlkampf hat die Partei sehr stark auf dieSymbolik „Schröder für Innovation und Lafontaine für soziale Gerechtigkeit“ gesetzt. Die Lücke, die Lafontaine hinterlassen hat, ist nicht geschlossen worden.

Was kam noch hinzu?

Dass die Wohltaten nach der Bundestagswahl alle sehr schnell unters Volk gebracht wurden. Daran erinnert sich heute keiner mehr. Dann ging es nur noch ums Sparen, ohne zu vermitteln, warum Sparen sich lohnt. Sparen als Selbstzweck aber lässt sich nicht vermitteln. Die Partei hat es bis heute nicht geschafft, diese Defizite aufzuarbeiten.

Glauben Sie, dass die SPD mit einem Parteivorsitzenden Lafontaine bessere Wahlergebnisse erzielen würde?

Es hilft wenig, darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn. Mit Lafontaine ist die Symbolfigur der sozialen Gerechtigkeit gegangen und für die SPD ein Problem geblieben.

Sie sind 33, wie erklären Sie, dass die SPD gestern nur bei sieben Prozent der Wähler unter 30 angekommen ist?

Ich glaube, dass junge Menschen, die noch nach Orientierung suchen, sich lieber an eine Partei halten, die diese Orientierung bietet, bei der sie wissen, für was sie steht. Bei der SPD wissen sie das nicht. Sie bietet ihnen keine Orientierungshilfe und ist nicht in der Lage zu vermitteln, was sie für junge Leute tut. Zum Beispiel das Stichwort Rentenreform als Zukunftssicherung für junge Leute. Im Zukunftsprogramm sind viele Themen, die Menschen zugute kommen, die heute jung sind. Das wurde nicht klargemacht.

Die PDS hat in Sachsen mehr als doppelt so viele Stimmen wie die SPD bekommen. Hat die SPD im Verhältnis zur PDS strategische Fehler gemacht?

Ich glaube, die PDS lässt sich am besten durch Umarmung bekämpfen. Man muss abwarten, wie die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ausgeht. Danach sollte die SPD eine allgemeingültige und abschließende Haltung zur PDS finden.

Wie lange ist die Partei noch bereit, ihrem Vorsitzenden von einer Wahlschlappe zur nächsten zu folgen?

Bis zur NRW-Wahl.

Was ist Ihre Prognose für die NRW-Landtagswahl im Mai?

Nordrhein-Westfalen ist das Stammland der SPD. Ich hoffe, die Partei wird es dort schaffen.

Sie hoffen?

Ich hoffe.

Und was ist mit den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein?

Da hoffe ich auch.

Interview: Karin Nink, Berlin