14 Jahre des Wartens sind vorbei

■ In der Osterholzer Landstraße wurde die erste WG für Gehörlose mit geistiger Behinderung in Bremen eröffnet

Die erste Wohngemeinschaft Bremens für Gehörlose mit geistiger Behinderung wurde am vergangenen Freitag offiziell eingeweiht. Ein leichter Weg war es bis dahin allerdings nicht: Gut 14 Jahre hat es gedauert, bis sich das Sozialressort und der Trägerverein Lebenshilfe Bremen e.V. auf den Standort und über die Kosten geeinigt haben. Bereits im April sind 14 Frauen und Männer in die alte Villa in der Osterholzer Landtsraße eingezogen. Bei der Einweihung zeigten sich besonders die Eltern erleichtert, ihren Kindern endlich ein adäquates Zuhause bieten zu können. Trotz der mittlerweile guten Bedingungen für die BewohnerInnen hofft der Trägerverein, dass es nicht beim Status Quo bleibt: Die Lebenshilfe hofft in der Zukunft auf mehr Personal.

Die Betreuung der zurzeit in der WG lebenden neun Frauen und fünf Männern findet rund um die Uhr statt und erfordert von den MitarbeiterInnen besondere Intensität. „Mit anderen geistig Behinderten kann man die BewohnerInnen hier nicht einfach gleichsetzen“, kennt Burkhard Bahr die Schwierigkeit der Menschen, neben ihrer geistigen Behinderung auch gehörlos zu sein.

Der Leiter der Wohnstätten beim Verein für Lebenshilfe ist deshalb froh, in Osterholz endlich die Möglichkeit zu haben, auf die ganz speziellen Bedürfnisse dieser Gruppe eingehen zu können. Besonderer Gewinn: Zum ersten Mal verbringen sie ihren Alltag mit ebenfalls Gehörlosen. „Bis dahin haben sich viele von ihrer Umwelt ausgeschlossen gefühlt.“

Ein großer Teil der Männer und Frauen, die im Alter zwischen 20 und 48 Jahren sind, kennt sich bereits aus dem Gehörlosenfreizeitheim in Schwachhausen. Jeder von ihnen hat auch einen eigenen Job. „Das ist sehr wichtig, denn hier geht es um selbstbestimmtes Leben“, erklärt Bahr das Ziel dieser Einrichtung. Faszinierend sei es auch, schwärmt Hausleiterin und Sozialpädagogin Anke Böttcher, wie offen und kommunikativ der Umgang untereinander ist. Gemeinsam mit den anderen ErzieherInnen und HeilerziehungspflegerInnen hat sie sich schon vor dem Einzug im April mit der Gebärdensprache vertraut gemacht.

Die Gliederung der Räume auf zwei Etagen soll die Aufteilung in zwei kleinere Gruppen ermöglichen. „Wir wünschten uns, man hätte das Haus für weniger Bewohner geplant. Bei einer so großen Zahl ist es schwierig, zu jeder Zeit auf den Einzelnen einzugehen“, bedauert Bahr die Entscheidung des Sozialressorts. Vorgeschlagen hatte der Verein, maximal zwölf Gehörlose und geistig Behinderte aufzunehmen und vielleicht eine weitere Einrichtung zu schaffen. Gescheitert sei der Vorschlag jedoch am Geld.

Dass es so lange gedauert hat, dieses Projekt zu realisieren, sei ebenfalls der Finanzlage zu verdanken, so Bahr. Denn die Wohngemeinschaft sollte ursprünglich in das Gehörlosenfreizeitheim in der Schwachhauser Heerstraße bei dessen Bau 1989 integriert werden. Die Kosten für die Umbauten wären aber zu hoch geworden. Die Entscheidung, das alte Einfamlienhaus in Osterholz um- und auszubauen, wurde jedoch erst 1996 getroffen. „Der Zeitraum dazwischen war wirklich viel zu lang“, gibt auch Karl Bronke vom Sozialressort zu, der deshalb auf der Einweihungsfeier Kritik von seiten des Vereins für Lebenshilfe Bremen geerntet hat.

„Der jetzige Bau war mit Sicherheit nicht günstiger als der geplante Umbau in Schwachhausen“, mahnte Lebenshilfe-Geschäftsführer Andreas Hoops. Knapp zwei Millionen Mark wurden in das Projekt investiert. Neben den Mitteln aus Land, Bund und Trägerverein, haben unter anderen die Waldemar-Koch-Stiftung und Aktion Sorgenkind mit Spendenmitteln geholfen. Besonders dankbar waren die Eltern und Angehörige, ohne deren große Unterstützung in den vergangenen Jahre, so Bahr, das alles kaum möglich gewesen wäre. Und gerade diese waren vom Sozialressort enttäuscht von der langen Verzögerung. Viele hätten, so ein Vater, gerne noch den Umzug ihres Kindes miterlebt, konnten es aber leider nicht mehr. san