: DASA im Flexibilitäts-Rausch
■ „Win-Win heißt, alle Seiten gewinnen“: Eine erste Erfolgsbilanz der betrieblichen Arbeitszeitreform beim Raumfahrtunternehmen DASA
Als die Bremer DaimlerChrysler Aerospace Airbus AG im April die Kernarbeitszeit abschaffte, stand manchem Urheber dieser Idee, die das Raumfahrtunternehmen in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben hat, noch der Angstschweiß auf der Stirn. „Wenn es nicht geklappt hätte, hätte das ja auf keinen Fall rauskommen dürfen“, witzelt der unternehmensseitige Vertreter im Planungsstab, der Segmentleiter für Triebwerksausrüstung, Heinz Böcker, rückblickend – und macht damit klar: „Es klappt.“ Diese Bilanz steigert der DASA-Betriebsratsvorsitzende Uwe Neuhaus in: „Es klappt phantastisch.“ Das Prinzip „win-win“ funktioniere. „Win-win heißt, beide Seiten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, haben etwas davon. Interessen von Unternehmen und Arbeitnehmern können auch deckungsgleich sein.“
Für die Arbeitgeberseite lässt sich der Vorteil beziffern. Rund 150.000 Mark pro Jahr mussten über Jahre hinweg von Auftrags- und Dollarkursschwankungen gebeutelte Unternehmen nach Betriebsratsschätzungen an Überstundenzuschlägen aufwenden – die mit der Abschaffung der Kernarbeitszeit jetzt wegfallen. In den meisten Firmenbereichen liegt die zuschlagsfreie Arbeitszeit zwischen sechs Uhr früh und neunzehn Uhr abends. Diese Regelung gilt – und das ist ungewöhnlich – sowohl in der Produktion als auch in der Verwaltung. Bei einer 35-Stunden-Woche gibt das den insgesamt rund 2.300 Bremer Beschäftigten viel Spielraum zur Einteilung ihrer Arbeitszeit – immer in Absprache mit den Kollegen. Details wie etwa das maximale Gleitzeitguthaben sind in der Betriebsvereinbarung genau festgehalten. „Wir entwickeln eine neue Unternehmenskultur“, schwärmt Betriebsrat Uwe Neuhaus geradezu.
Freilich, räumt der Betriebsratsvorsitzende ein, dieser Unternehmenskultur voran steht eine Präambel in der Betriebsvereinbarung, der zufolge „die Arbeitszeitgestaltung den Anforderungen des Unternehmens und den Belangen der Beschäftigten Rechnung trägt.“ Mancher Metaller musste da schwer schlucken. Andere, vor allem VertreterInnen der mittleren Führungsebene etwa, schluckten aus anderen Gründen. „Vorgesetzte, die gewohnt waren, Arbeitszeit als Sanktionsmittel gegenüber Untergebenen einzusetzen, haben ja ihr Machtiinstrumente verloren“, wird berichtet. „Abhängigkeit bekommt jetzt eine neue Qualität“, sagt Neuhaus. Der Vorgesetzte müsse heute motivieren. „Wir sagen: Man trifft sich immer zwei Mal im Leben.“ Das Arbeitsaufkommen bestimme die Anwesenheit, die Produktionsgruppe vielleicht und das Firmeninteresse – aber nicht der nächste Vorgesetzte. Im Gegenteil, wenn der entgegen der Einsicht und der Zeitplanung des Arbeitnehmers handelt und Arbeitszeit „anordnet“, könnte sogar der Überstundenzuschlag fällig werden. Angeordnete Arbeitszeit widerspricht der neuen Ordnung.
Und das ist der Preis, den das Unternehmen für die kostensenkende Flexibilisierung, die zugleich eine bessere Auslastung von Personal und Anlagen garantiert, zahlt: „Die Verantwortung für das gute Produkt liegt bei den Beschäftigten. Also auch die Verantwortung für ihre Arbeitszeit“, formuliert Neuhaus die in Deutschland noch fast einmalige Errungenschaft. Nicht zufällig sei das Konzept der neuen „Unternehmenskultur“ in einer Zeit entstanden, als das Damoklesschwert drastischen Arbeitsplatzabbaus noch über der Firma hing. Nach Plänen, die noch vor wenigen Jahren galten, hätte der Bremer Standort auf 700 MitarbeiterInnen reduziert werden sollen. Heute schauen rund 2.300 beschäftigte gespannt aufs nächste Jahr, wenn neue Produktionsaufgaben auf sie zukommen. ede
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