■ Ist das der gefährlichste Mann Saarbrückens?: Schröder, hör die Signale! Der Sozialist Oskar Lafontaine macht sich auf zum letzten Gefecht und erkämpft das Menschenrecht - mit tatkräftiger Unterstützung der revolutionären Springer-Presse
Berlin (taz) – Deutschland ist beunruhigt. Die Sozialdemokraten fürchten sich. Gerhard Schröder zittert vor Angst.
Oskar Lafontaine, der letzte lebende Sozialist, hat der Welt am Sonntag ein Interview gegeben. Darin kündigt er an, dass sein lange erwartetes Buch „Das Herz schlägt links“ von „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ handelt. Schlimmer hätte es nicht kommen können.
Das wird dem Kanzler den Kopf kosten. Schröder weiß weder, was Vergangenheit bedeutet, noch was Zukunft sein könnte.
Aber das ist noch nicht alles. Für nächsten Sonntag hat Lafontaine einen Vorabdruck seines neuen Buches angekündigt, wieder in der Welt am Sonntag. Am Sonntag darauf gibt er bei Sabine Christiansen noch ein Interview. Drei Tage später dann präsentiert Lafontaine sein Buch der Öffentlichkeit. Einen Tag danach wieder ein großes Interview, diesmal im Stern.
Diese achtzehn Tage werden die Republik verändern. Nach dem Stern-Interview gibt es in Deutschland endlich wieder soziale Gerechtigkeit.
Das ist der eigentliche Grund dafür, warum Schröder und die SPD so große Angst vor Lafontaine haben: Sie wollen keine Vermögensteuer für Millionäre. Aber sie wissen, dass Lafontaine gemeinsam mit seinem Freund John Maynard Keynes zu allem fähig ist. Der ehemalige Finanzminister hat das in seinem ersten Interview nach seinem Rücktritt nachdrücklich unter Beweis gestellt: „Ein unausrottbares Missverständnis ist es, Keynes auf staatliches Geldausgeben zu reduzieren“, vertraut Lafontaine seinen verdutzten Interviewern Klaus Bölling und Peter Gauweiler an. „Keynesianische Politik, das ist die richtige Kombination aus Lohn-, Geld- und Fiskalpolitik. Nicht in allen drei Bereichen darf gleichzeitig gebremst werden. Die Kombination von Lohnzurückhaltung, staatlichem Sparen und hohen Realzinsen führt zu hoher Arbeitslosigkeit.“ Na also.
Wer jetzt glaubt, Lafontaine hält seinen makroökonomischen Vortrag in dem Interview nur, weil er überzeugt ist, dass Schröder davon nichts versteht, der liegt völlig richtig.
Der Saarbrücker ist nicht nur der gefährlichste Mann Europas, wie das britische Boulevardblatt Sun vor Monaten feststellte. Mehr noch: Der Saarbrücker ist der gefährlichste Mann Saarbrückens. Er stellt die größte Bedrohung für alle dar, deren Herz nicht links schlägt. Also für all diejenigen, die nicht aus Saarbrücken kommen. Und die Kosovo-Kriege anzetteln, Schröder/Blair-Papiere schreiben, den Arbeitern das Geld wegnehmen und den Alten ihre Rente nicht gönnen.
Auch dazu hat sich Lafontaine im Interview ausführlich geäußert: „Die erste Frage ist: Wie entsteht eine optimale Wertschöpfung? Darüber gibt es Streit. Und zweitens: Wie wird das, was gemeinsam erarbeitet wurde, verteilt? Und hier ist unsere Antwort generell klar. Die Wertschöpfung muss optimiert werden, aber die Verteilung muss gerecht sein. Viele Konservative sagen: Wertschöpfung ist nur dann zu optimieren, wenn die Verteilung ungerecht ist; eine hohe Gehalts- und Lohnspreizung sei Voraussetzung für ökonomisches Wachstum. Ich dagegen halte es für unvertretbar, wenn ein Manager zig Millionen im Jahr bekommt, während die Arbeitnehmer mit Reallohnverlusten auskommen müssen. Das ist eine Gesellschaft, die ich nicht will.“
Wer jetzt einwendet, dann hätte der optimale Wertschöpfer nicht alles hinschmeißen dürfen, der verkennt das Simple seines Rücktritts: „Ich habe meine Ämter niedergelegt“, enthüllt der Ex-Finanzminister und Ex-Parteichef, „weil ich in Politikstil und Politikinhalt mit Gerhard Schröder grundsätzlich nicht übereinstimme und weil die Verfassung sagt: Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik.“ Das Leben kann manchmal so einfach sein.
Und weil Lafontaine gerade beim Einfachen ist, legt er gleich nach: „Zum Zeitpunkt meines Rücktritts gab es noch nicht den Kosovo-Krieg, es gab noch nicht das Schröder/Blair-Papier, und es gab auch noch nicht das sogenannte Zukunftsprogramm 2000, das Sparpaket.“ Das war alles der böse Schröder.
Deswegen zieht Willys wahrer Enkel mit 800.000 Mark Honorar munitioniert und mit den Blättern des von jeher sozial engagierten Springer-Verlages im Rücken ins letzte Gefecht. Lafontaine erkämpft das Menschenrecht.
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