: Russland droht mit Einmarsch
■ Tschetschenien-Konflikt eskaliert. Moskau schließt tschetschenisch-inguschetische Grenze zur Unterbrechung des Flüchtlingsstroms. Technische Infrastruktur in Grosny beschossen
Moskau (AFP) – Russland hat der nach Unabhängigkeit strebenden Kaukasus-Republik mit einer erneuten militärischen Konfrontation gedroht. Verteidigungsminister Igor Sergejew sagte am Sonntag, die Armee habe mehrere Versionen für einen Einmarsch in Tschetschenien ausgearbeitet. Die Luftangriffe auf Grosny gingen unvermindert weiter. Am Samstag zerstörten Kampfflugzeuge unter anderem das Mobilfunknetz und die technischen Anlagen des Fernsehens. Angesichts der starken Flüchtlingsbewegung schloss Moskau am späten Samstagabend die Grenze zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kurz zuvor waren bereits die Grenzen zu Dagestan und zur Region Stawropol dicht gemacht worden. Damit ist Tschetschenien vollkommen abgeriegelt. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass zitierte Sergejew mit den Worten, Hauptziel aller geplanten Militäroperationen sei die Vernichtung der „Banditen“. Damit sind nach russischer Sprachregelung die muslimischen Rebellen gemeint, die mehrfach in die Kaukasusrepublik Dagestan eindrangen, um dort einen Gottesstaat zu errichten.
Schwerpunkt der russischen Luftangriffe war die technische Infrastruktur der Region mit dem Schwerpunkt Grosny. Die Präsidentschaft in Grosny bestätigte, dass die technischen Anlagen des Fernsehens und das Mobilfunknetz zerstört wurden. Auch Ölraffinerien und Öllager wurden mehrfach bombardiert. Am frühen Sonntagmorgen wurde erneut Grosny angegriffen. Nach tschetschenischen Angaben wurden durch die Luftangriffe am Samstag 15 Menschen getötet und 25 verletzt.
Aus Angst vor einer Ausweitung der Kampfhandlungen machten sich zehntausende Einwohner aus Grosny und anderen Städten auf den Weg ins benachbarte Inguschetien. Vor dem Grenzübergang nach Inguschetien staute sich am Samstagabend eine 15 Kilometer lange Fahrzeugkolonne. Bis Samstag waren rund 20.000 Flüchtlinge in Inguschetien eingetroffen, wie der Interims-Regierungschef Achmed Malsagow mitteilte. Er warnte vor einer humanitären Katastrophe, da sein Land die Flüchtinge nicht mit Nahrungsmitteln und Zelten versorgen könne. Vor allem Alte, Frauen und Kinder waren aus Tschetschenien geflohen. Der tschetschenische Präsident Aslan Maschadow erneuerte seine Bereitschaft zu einem Dialog mit Russlands Präsident Boris Jelzin. Er erklärte sich zudem damit einverstanden, Inspekteure der Vereinten Nationen ins Land zu lassen, die überprüfen sollten, ob sich noch „Terroristen“ in dem Lande versteckten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen