piwik no script img

Am Rand vom Abenteuer-Spielplatz

Hamburg ist nur mit einem relativ kleinen finanziellen Anteil an der Weltausstellung Expo 2000 beteiligt. Auf die Zentrale in Hannover verlässt man sich an der Elbe lieber nicht  ■ Von Peter Ahrens

Hannover ist nicht Hamburg. Und es wird nie wie Hamburg sein, da mag man noch so viel Geld in die niedersächsische Hauptstadt hineinstecken. Kröpke bleibt Kröpke, da kann man eben keinen Jungfernstieg draus machen. „Ich fürchte, manche von den Expo-Leuten schätzen bei ihren Kalkulationen den Freizeitwert von Hannover nicht ganz realistisch ein“, sagt Franz-Josef Klein und lächelt dabei nicht einmal.

Klein muss es wissen, wie es um die Seelenlage von Expo-Leuten bestellt ist – denn er ist selbst einer. Nur eben nicht in Hannover, sondern in Hamburg. Klein, der ehemals als Pressesprecher des früheren Bürgermeister Henning Voscherau die JournalistInnen eher frustrierte als beglückte, sitzt heute als Abteilungsleiter in der Wirtschaftsbehörde und plant seit zwei Jahren, was an der Elbe zur Weltausstellung laufen soll.

Der Mann muss ein Optimist sein: Auf seinem Schreibtisch in der Behörde steht ein Modell des Airbus A3XX. Aber ohne Optimismus kann man sich in ein Projekt wie die Expo, bei dem in der Vorbereitung fast alles schiefgelaufen ist, was schiefgehen kann, wohl auch gar nicht hereinhängen. Milliardenloch, Geld fressendes Prestigeobjekt, Umweltsünde, Verkehrsmoloch, Management-Chaos, Zahlenschluderei, anfängerhaftes Marketing – das sind noch die freundlichsten Schlagzeilen. Franz-Josef Klein ist so höflich, es bei einem feinen Kommentar zu belassen: „Da ist nicht fehlerfrei gearbeitet worden.“ Er hat sich das alles angesehen, aus nächster Nähe mitbekommen und entschieden: In Hamburg machen wir das anders. Bescheiden nämlich.

Die Stadt beteiligt sich an der Weltausstellung, will auch Profit machen, das ist klar. Jedoch: Bei der Expo als finanziellem Abenteuer-Spielplatz steht Hamburg am Rand und spielt nicht so recht mit. Die Stadt ist mit einem der kleinsten Etats aller Bundesländer in Sachen Expo dabei. Bayern zum Beispiel investiert gut sieben Millionen Mark allein in den deutschen Pavillon auf dem Hannoveraner Expo-Gelände, Nordrhein-Westfalen ist mit zehn Millionen Mark im Boot, Hamburg gerade einmal mit 1,5 Millionen. Und das ist noch der höchste Einzelposten der Stadt in Sachen Expo. Das Programm in Hamburg selbst kostet die Stadt „ein paar 100.000 Mark“.

Es wird keine eigenen kulturellen Expo-Großveranstaltungen geben, sondern man wird die Veranstaltungen und Träger werblich unterstützen, die ohnehin in der Stadt geplant sind: Musicals, Theater, Clubs, Hafengeburtstag, Cyclassics. Auch hier die Devise: Nur kein finanzielles Vabanque. „Alle waren sich einig: Wir wollen hier nicht mit Steuermitteln Großveranstaltungen künstlich aufblasen.“

Dafür will Hamburg immerhin zwei Millionen BesucherInnen im kommenden Jahr in die Stadt holen – nur der Weltausstellung wegen. Die Hamburger Rechnung: In Hannover und um Hannover herum wird an Quartieren alles dicht sein. Wer also spontan zur Expo fährt, wird sich woanders nach Unterkünften umschauen – „und da sind wir nun einmal die nächstgelegene Metropole“, sagt Klein. Ob das dann im kommenden Jahr auch alles so klappt mit den 400.000 zusätzlichen Übernachtungen, von denen die Tourismusleute heute träumen, steht in den Sternen.

Wer sich allein auf Hannover und die Expo-Gesellschaft verlässt, ist verlassen. Das ist Klein in der Vorbereitung klar geworden. So ist der Hamburger Kontakt zur niedersächsischen Zentrale aufs Nötigste beschränkt. „In Hannover glauben viele noch, die Expo wie eine große Fachmesse behandeln zu können“ – die Weltausstellung als Mega-Cebit, das könne nicht funktionieren, sagt Klein. Das Konzept sei wenige Monate vor Start der Expo immer noch „unausgegoren“. Bei den Eintrittspreisen, die dort verlangt werden, wäre er überhaupt nicht erstaunt, wenn BesucherInnen, mit denen in Hannover zur Zeit noch fest gerechnet werden, zu Hause bleiben. „Ein Expo-Wochenende kostet eine Familie fast so viel wie ein zweiwöchiger Urlaub.“ Da überlegt man sich dreimal, das zu zahlen, um sich anschließend den „Medialen Garten“ im Deutschen Pavillon anzuschauen.

Eine Blume im medialen Garten ist von Hamburg gepflanzt. Alle Bundesländer haben sich verpflichtet, Geld und Ideen in den Deutschen Pavillon auf dem Expo-Gelände zu stecken. Zunächst war gedacht, dass alle Länder mit einem Stand präsent sein sollen. Klein packt sich jetzt noch an den Kopf bei dem Gedanken, dass das fast umgesetzt worden wäre: Hamburger Shanty-Chor neben bayerischen Dindln, eine Ansammlung von Trachtengruppen in einer Dunstglocke von Weissbier und Matjes – „das wäre peinlich und kleinkariert geworden“, sagt der Hamburger Expo-Manager. Stattdessen hat man sich geeinigt, die Länder auf Filmen vorzustellen. Der Hamburg-Film – wen wunderts – steht unter der Überschrift „Handel im Wandel“ und zeigt „den Weg einer alten Handelsstadt zur Dienstleistungs- und Medienmetropole“. Dazu kommt eine Kulturwoche im August – da Medienmetropole fürs Selbstbewusstsein nicht ausreicht, will Hamburg sich dort mit Ballett, Musical und Pop auch als „Deutschlands Musikhauptstadt“ dem staunenden Weltpublikum anbieten.

In Hamburg selbst stößt man im kommenden Jahr eher vereinzelt auf die Spuren der Weltausstellung, und das macht Klein noch Kopfzerbrechen. Die Weltausstellung hat für Hamburg neun Projekte ausgewählt, die sich im kommenden Jahr das Expo-Etikett aufkleben dürfen. Aber die sind über die ganze Stadt verstreut – „wir basteln gerade noch an einem möglichst intelligenten Pilot-System, um die Leute auch dahin zu lotsen“, sagt Klein.

Die Leute würden zum Beispiel zur DESY in die Notkestraße gelotst, wo sie sich ein überdimensioniertes Mikroskop anschauen können. Oder zum Max-Planck-Institut in die Bundesstraße, wo über die Auswirkungen des Menschen aufs Klima geforscht wird. Oder zum Tierpark Hagenbeck, um Einblicke in die Elefantenforschung zu bekommen. Oder zur Baumschule von Ehren in die Maldfeldstraße zum „ökologisch ausgerichteten Versand- und Beratungszentrum einer Baumschule“. Und beim Axel-Springer-Verlag wird gezeigt, wie aus einem Baum eine Zeitung wird. Jugend forscht auf höherem Level – das ist das Programm, mit dem man zwei Millionen Leute nach Hamburg bringen will. Eben ganz bescheiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen