: Versuchskaninchen für guten Zweck?
■ Streit um Brustkrebs-Früherkennung: Kein Todesfall weniger durch Screening – oder bessere Chance zu überleben? / Bremer Studie bringt Aufklärung, aber: Frauen müssen Nachteile kennen
In Bremen sollen sich bald 150.000 Frauen zwischen 50 und 70 Jahren in einem dreijährigen Forschungsprojekt auf Brustkrebs untersuchen lassen. Der Bremer Informatiker Professor Heinz-Otto Peitgen nennt die bevorstehende Reihenuntersuchung „eine Riesenchance für BremerInnen“. Doch SkeptikerInnen wie die Stuttgarter Gynäkologin Friederike Perl bezweifeln, dass das sogenannte „Screening“ wirklich den Brustkrebstod verhindern könnte: „Kein Todesfall weniger durch Screening“ ist ihr niederschmetterndes Fazit nach der Auswertung einer kanadischen Studie (siehe Interview).
Perl spricht zugleich von einer „Flut von Stimmen“, die mittlerweile bezweifeln, dass Früherkennung gegen die vielfach tödlichen Folgen des Mammakarzinoms wirklich helfe. Statt deutlicher Vorteile sieht die Ärztin im Screening dagegen eine Reihe von Nachteilen. Da sei einerseits der hohe finanzielle Aufwand einer Reihenuntersuchung. Auch würde zwangsläufig eine Anzahl von falschen Verdachts-Befunden nach Mammografien gestellt. So wiesen von 10.000 Mammografien rund 1.500 eine Auffälligkeit auf, insgesamt würden aber nur rund 13 echte Krebsfälle entdeckt. Dabei werde jeder falsche Verdacht erst nach langwierigen Untersuchungen oder sogar der Entnahme von Gewebeproben aufgeklärt – während die bis dato gesunde, unbeschwerte Frau sich größte Sorgen machen müsse. „Für viele Betroffene geht die Lebensqualität bei so etwas gleich auf null“, hat die Klinikärztin beobachtet. Sie fürchtet außerdem, dass die Mammografien vermehrt pathologische Befunde zu Tage fördern werden – die in vielen Fällen jedoch nicht dringend behandelt werden müssten. Dies gelte vergleichbar der Behandlung des Prostata-Karzinoms beim Mann.
„Es wäre schön, wenn man dem Krebs früh ansehen könnte, ob er bösartig wird oder nicht“, erwidern darauf Experten wie der Informatiker Peitgen vom Bremer Centrum für Medizinische Diagnosesysteme und Visualisierung (MeVis) oder der Epidemiologe Eberhard Greiser vom Bremer Institut für Präventions- und Sozialforschung (Bips). Solange eine solche Aussage unmöglich sei, vergrößere jedoch jede frühe Diagnose die Überlebenschancen der Frauen. Beide Fachleute erwarten während des Bremer Pilot-Screenings einen deutlichen Anstieg in der Tumordiagnose – vor allem im Frühstadium. Einschränkend sagt Greiser: Niemand dürfe jedoch schnelle Nachweise darüber erwarten, dass das Brustkrebs-Screening wirklich Leben rette. Er gehe vielmehr davon aus, dass in drei Jahren erneute Verhandlungen über eine Fortsetzung des knapp zehn Millionen Mark teuren Projektes stattfinden – dessen Erfolg allerdings davon abhänge, dass viele Bremerinnen bei der Früherkennung mitmachen. „70 Prozent Beteiligung wäre ideal.“
Friederike Perls Kritik an zu vielen falschen Verdachts-Befunden pariert auch der Informatiker Peitgen: Die Rate möglicher Fehldiagnosen sinke auf rund zwei Prozent, wenn die Ausbildung der Ärzte, die die Mammogramme lesen, gut sei. Das Pilotprojekt garantiere, dass die Aufnahmen durch je zwei unabhängige, extra ausgebildete ExpertInnen ausgewertet werden. Die bisherige Zahl an falschen Befunden entstehe in Deutschland durch mangelndes Qualitätsmanagement. In Holland dagegen würden Praxen mit hoher Fehler-Rate schon heute überprüft. In Bremen erwarte man rund sechs Verdachts-Befunde bei insgesamt 149 Aufnahmen pro Tag. Bis zu zehn niedergelassene Bremer RadiologInnen sollen sich beteiligen. ede
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