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Die Sache mit „Fritz“

■ Schrankwände sind die pure Monotonie und machen aus Schlafzimmern Schläuche. Ist Glas die Rettung? Oder gehören die Dinger auf den Sperrmüll?

Mit Fritz stand ich von Anfang an auf Kriegsfuß. Weiß, 2 Meter 20 hoch und mit fünf Türen, stand er in der Wohnung meines Freundes an der Wand und machte einen ohnehin kleinen Raum zum Schlauch. Klar, dass dieses Serienmöbel eines schwedischen Herstellers bei erster Gelegenheit zerteilt wurde. Man kann es nämlich nicht nur um beliebig viele Segmente erweitern, sondern auch wieder ganz kurz machen. So hatten wir bald zwei Fritzis mit zwei Türen, einen im Schlafzimmer und einen im Flur.

Überhaupt, Schränke. Kleidung, so dachte ich, als ich mit 18 in die erste WG zog, kann man auch in Pappkartons, Bücherregalen oder gar den legendären Apfelsinenkis-ten lagern. Spezielle Behältnisse für teures Geld zu kaufen, das schien absurd. Heute denken viele anders. Er sei gerne spießig, sagte mir der jüngere Bruder eines Freundes, als er kürzlich mit 25 (!) sein Elternhaus verließ. Dem Umzug in eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Freundin ging eine sorgfältige Marktanalyse voraus.

Gleich mehrere Möbelhausbesuche waren nötig, bis die passende Eckschrankwand gefunden war, die, maßgefertigt geliefert und mit Buchenfurnier verkleidet, nun etwa ein Drittel des Schlafgemachs verstellt. Dabei war das Paar auch noch renitent und kaufte das dazugehörige Doppelbett mit Rückenpanelen und Konsolentischchen nicht von der selben Serie – was das Risiko in sich birgt, dass die Hölzer nicht zusammen passen. Unser Paar war trotzdem zufrieden. „Ist doch praktisch, solltet ihr euch auch kaufen“, so der Ratschlag, als wir das Riesenmöbel bestaunten.

Derlei Hinweise machen mürbe. Als wir schließlich umzogen und ein großes Schlafzimmer bekamen, bauten wir Fritz in voller Größe wieder auf. Der Schrank war nützlich, bis zum Rand mit Kleidung gefüllt, aber unser Schlafzimmer dafür aller Schönheit beraubt. Wer mag schon gern auf zweieinhalb Meter weiße Streifen mit dunklen Rillen gucken? Also wurde Fritz wieder zerteilt und zu drei Fünfteln auf dem Sperrmüll entsorgt, denn Möbel aus Presspappe und Spanplatte zerbröseln, wenn man sie zu oft auf- und abbaut.

Und nun? Fast täglich flattern Werbeprospekte mit Komplettlösungen für Schlafräume ins Haus. Ihr Studium legt nahe, dass auch Designer eine Abneigung gegen Rillenmonotonie entwickelt haben. Die Schrankfronten werden aufgelockert, mal ein Spiegel hier, mal eine Schubladenreihe da und auch ein bisschen Farbe. „Letztes Jahr war es Gelb und davor Blau“, erinnert sich ein Insider. Und: Auf der letzten Möbelmesse in Ostwestfalen sollen eingebaute Milchglasscheiben der Trend gewesen sein. Glassegmente machen Räume wohnlicher, verspricht der Handel.

„Bei Milchglas schimmert durch, was drin ist. Der Schrank wirkt leichter“, sagt die Innenarchitektin Petra Ruf. Vor eingebauten Spiegeln kann die auf Feng Shui spezialisierte Expertin allerdings nur warnen. Da der Astralleib nicht zur Ruhe komme, könne dies Schlafstörungen verursachen. „Auch in anderen Kulturen hängen die Menschen nachts die Spiegel zu“, weiß Ruf. Der studierten Einrichterin muss man die Bedenken gegen Schrankfronten nicht lange erläutern. Gleichwohl fehle es an Alternativen. Schließlich würden moderne Varianten wie offene Kleiderstangen oder Kleiderbügel, die an einer Kette hängen, zuviel Unruhe in den Raum bringen.

Menschen, die ein wohnlicheres Schlafzimmer wollen, empfiehlt Petra Ruf eine „Ausmist-Aktion“. Man könne dann die Kleider in einem Einzelschrank unterbringen und einen Sessel daneben stellen. „Aber auch da legt man wieder Sachen drauf“. Bietet die Wohnung dies an, könnte man auch einen anderen Raum nutzen, um Hemden und Hosen unterbringen. Ruf: „Das kommt auf die Lebenssituation an. Denn dann muss es möglich sein, dass die Menschen ohne Kleidung durch die Wohnung laufen und dies auch mögen.“ Kaija Kutter

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