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Egel und Asseln

■ Bremens Gewässer sind immer noch zu stark verschmutzt, wenn es auch positive Trends gibt / Eine Bildbeschreibung

Grün ist in Ordnung, das wissen Gewässerkundler schon lange. Vor allem ein dunkles. Noch besser allerdings ist ein tiefes Blau, aber das gibt es nicht in Bremen. Dafür viel helles Grün, durchsetzt mit gelben Einsprengseln. Und an einer Stelle, da leuchtet sogar ein orangefarbenes Band. Das ist, kurz gesagt, der Zustand der bremischen Gewässer.

Die Farben codieren die verschiedene „Güteklassen“, die in der aktuellen Gewässergütekarte dokumentiert werden. Sie zeigt 190 Kilometer kleine und große Fließe in Bremen, schön bunt, von der winzigen Schönebecker Aue in Bremen Nord über das Blocklander Maschinenfleet bis hin zur dickbäuchigen Weser. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Senators für Bau und Umwelt haben von 1995 bis 1999 an insgesamt 165 Messstellen die Qualität der jeweiligen Gewässer untersucht. Sie haben für den „Saprobienindex“ wirbellose Wassertierchen gezählt und bestimmt, haben chemische Parameter zur Nährstoff- und Sauerstoffversorgung eingeholt und geschaut, ob die Gewässer naturfern ausgebaut wurden oder nicht.

Das Ergebnis: Der Großteil der bremischen Gewässer müsse wie schon 1995 in die Gewässergüteklasse II-III eingestuft werden – als „kritisch belastet“ also. Hellgrün. Das bedeutet, dass in Folge Sauerstoffmangels Fischsterben möglich sind, die Artenvielfalt abnimmt und – igitt! – „fädige Algen“ dazu neigen, größere Bestände zu bilden. Insgesamt gibt es – inklusive der Zwischenstufen – sieben Güteklassen. Wenn Bremen nicht besonders gut abschneidet, liegt das allerdings auch daran, dass innerstädtische Gewässer und stauregulierte Grabensysteme weniger Organismen einen Lebensraum bieten, als natürliche Fließgewässer.

Indes, Senatorin Christine Wischer (SPD) verkündet Entlastung. Es gebe eine Tendenz zur Verbesserung in Richtung Güteklasse II („mäßig belastet“). Paradisische Zustände für Schnecken, Krebse, Larven, Fische? Als Beispiel für diese Entwicklung dient die im Zuge des Flughafenausbaus neu und „naturnah“ angelegte Huchtinger Ochtum. Nach zehn Jahren schlängelt sich das Gewässer im exquisiten Dunkelgrün über die Karte – wie die Wümme. Auch den kleinen Geestgewässern in Bremen-Nord soll es besser gehen, nachdem das Mischwasserkanalnetz saniert und Regenüberläufe geschlossen wurden.

Mit Regenwasser vermischtes Abwasser ist am innerstädtischen Torfkanal nach wie vor ein Problem. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei starken Regenfällen eine derartige Melange ins Wasser gerate, sei zwar durch Kanalsanierung „drastisch reduziert“ worden, heißt es in den Erläuterungen zur Gewässergütekarte. Trotzdem hat der Torfkanal in seinem oberen Abschnitt nur die „gelbe“ Güteklasse III – stark verschmutzt. Vor fünf Jahren war er noch eine Klasse darunter.

Zur gelben Riege gehören neben dem – nomen est omen – Schmutzgraben und dem geplagten Waller Fleet („Faulschlammablagerungen und Verockerungen“) erstaunlicherweise auch der Werdersee. Hinsichtlich seiner Artenvielfalt und der chemisch-physikalischen Werte ähnelt das beliebte Badegewässer – theoretisch – damit den Häfen und unterliegt klassenmäßig der – hellgrünen – Weser. Im Werdersee müssten es sich demnach „Kolonien von Wimperntieren“ gut gehen lassen, wie auch „gegen Sauerstoffmangel unempfindliche tierische Makroorganismen wie Egel und Wasserasseln“. Und das massenhaft. Allerdings sei ein direkter Vergleich von fließenden und stehenden Gewässern wegen unterschiedlicher Beurteilungsmerkmale nicht völlig stimmig, heißt es.

Immerhin: Die siebte, „rote“ Güteklasse IV („übermäßig verschmutzt“) kommt in Bremen nicht vor. Den Negativrekord hält das Arsten-Habenhauser Fleet, das auf der Karte organgefarben markiert ist („sehr stark verschmutzt“). Und die Farbe Blau? Sie ist das Gütesiegel der Gebirgsflüsse. Und die gibt es nicht in Bremen. Nicht mal am Müllberg. hase

Die Gewässergütekarte im internet: www.umwelt.bremen.de/Umweltdaten/Wasser

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